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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02
Autoren: Karl Bleibtreu
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aber nicht dazu. Auch diesmal verkürzten ministerielle zigarrenlose Gespräche (ihm eine besondere Pein) seine freie Zeit, so daß er nur ein paar Weihnachtsgeschenke für Nanne mit ihr verabreden konnte. »Ich überliefere dich Gerson und anderen Verführern und kneife aus, damit ich nicht das Ensemble im Weißen Saal um eine Farbennuance bereichern muß. Auf dem Theaterzettel gehöre ich unter ›Volk, Edelleute, Häscher und Priester‹, mein Kostüm wirkt dekorativ, doch um Gottes willen möcht' ich keine Charge übernehmen weder als erster Bösewicht noch als Konfident. Es sind schon genug Mitspieler da, die gute Lungen haben und das Deklamieren aus dem Grunde verstehen. Ha, Verräter! Stirb, Verruchter! Mein Leben für den Zaren! Und wenn einer nur melden darf: ›die Pferde sind gesattelt‹, so kommt er sich ungeheuer wichtig vor. Nun ja, Statisterie ist die Hauptsache bei glatter Inszenierung.«
    Seinen ganzen Galgenhumor brauchte er am 15. Oktober in Frankfurt. Das war ein trauriger »Königs-Geburtstag«. Sonst gab es vormittags feierlichen Gottesdienst in der reformierten Kirche am Kornmarkt, dazu erschien er mit dem ganzen Personal in Gala, mittags Diner in großem Stil mit sämtlichen preußischen Offizieren, abends Rundgang in den Garnisonkasernen und Beschenkung der Soldaten. Doch diesmal lastete schon eine Art Landestrauer, da man baldiges Ableben des »heißgeliebten« Monarchen vermutete. Otto fuhr nach Baden-Baden, er fand den Prinzen sehr ernst.
    »Sie sind ja wohl unterrichtet? Am 6. ließ es sich der König nicht nehmen, den Zaren in dessen Salonwagen am Niederschlesischen Bahnhof zu begleiten, und die rauchgeschwängerte Luft nahm ihm die Besinnung. Ein Schlaganfall folgte. Gottlob ist das Schlimmste überstanden, ein Aderlaß, schon etwas verspätet, erhielt ihn am Leben.«
    »So ist für den Gesundheitszustand vorerst nichts zu befürchten?«
    »Wohl aber für den ... Gemütszustand.« Er schwieg bedeutungsvoll. »Ich übernehme die Stellvertretung. Wünschen Sie neuen Urlaub?«
    »Meine Frau ist in Hohendorf, Ostpreußen, bei Alex Below. Wenn ich die Gnade haben könnte –«
    »Gewiß. Der Weg dorthin führt über Berlin.« Der Prinz verbarg ein schwaches Lächeln. Wie oft muß die Frau als Grund herhalten für ganz andere Geschäfte! »Also reisen Sie mit mir!« –
    In Berlin stand alles auf dem Kopfe. Die Königin und andere Einflußreiche am Hofe hätten am liebsten die Fiktion aufrechterhalten, der König sei noch regierungsfähig. Prinz Wilhelm forderte Otto zu einem Spaziergang in den Potsdamer neuen Anlagen auf, der Adjutant mußte weit zurückbleiben, um die Unterhaltung nicht zu hören.
    »Die Gewissensfrage ist die: falls ich die Regierung antreten muß, bin ich verpflichtet, die Verfassung so anzunehmen, wie sie steht, oder darf ich eine Revision verlangen?«
    » De jure schon. Nach dem Lehnrecht hat der Sohn, nicht der Bruder Verpflichtungen als bindend zu übernehmen. Doch ich rate Eure Königliche Hoheit ab. Wahrscheinlich würde die Majorität ablehnen, und wir wären dann in unsicherem Systemwechsel. Gibt es neuen Konflikt im Innern, so verliert Preußen nach außen jede Kraft. Wir würden uns auch beim ganzen Liberalismus, der doch nun mal im übrigen Deutschland mehr oder minder auch amtlich überwiegt, unmöglich machen.«
    »Das hätte Sie früher wenig gerührt«, bemerkte der Prinz mit leichtem Unmut. »Damals war ich es, der Ihnen zu liberal dachte. Sie haben sich in Frankfurt merkwürdig gehäutet.«
    »Der Mensch denkt und Gott lenkt. Bei weiterer Perspektive sieht man sowohl nahe als entfernte Dinge anders.«
    »Das mag so sein. Mißverstehen Sie mich nur nicht! Sie wissen am besten, wie kindisch man mir unrecht tut, wenn man mich reaktionärer Tendenzen bezichtigt. Die sogenannte Kamarilla, Ihre Freunde Gerlach und Genossen, nennen ja meinen Hofhalt ein Brutnest des Liberalismus, was natürlich auch sehr weit übers Ziel hinausschießt. Was mich an der Verfassung so aigriert und mit Sorgen erfüllt, ist nur ein Punkt: daß sie mir nicht unumschränkte Befugnis für das Ressort läßt, dessen Ausgestaltung ich im Interesse des Vaterlandes unbedingt wünsche und will.«
    »Ich weiß, die Armeereform. Dafür wird es sicher Mittel und Wege geben, wenn nur sonst die Räder glatt gehen. Um dies dem Landtag und der Nation genehm zu machen, bedürfen wir des gestärkten Ansehens nach außen. Alles andere ist von untergeordneter Bedeutung. Je kräftiger wir in
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