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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02
Autoren: Karl Bleibtreu
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Verfassung werde ich halten. Ich schwor es meinem hochseligen Herrn Vater auf dem Totenbette«, der nämlich sechs Jahre früher starb. Er müßte also wie Papa Hamlet Senior gespukt haben, um seine Einwilligung zu erkennen zu geben.
    Wichtiger schien, daß einige Schleswig-Holsteiner mit Otto zusammenkamen und ihre Abneigung aussprachen, ein eigener deutscher Kleinstaat zu werden. Die Baudissin, Liliencron usw. waren darin einig mit den schon seit Jahrhunderten ganz dänisierten deutschen Rantzau: »Das bißchen Europäertum am Hof von Kopenhagen ist uns da schon lieber.«
    Während Otto sich die Zeit absparte, das Thorwaldsenmuseum zu mustern, sann er: Wie wenig sich doch Völker ändern! Hier leben immer noch Polonius und Osric, und mögen Rosenkranz und Gyldenstern an jedem Hofe herumschleichen, ganz dänisch bleibt Laertes, der mit spitzer dänischer Zunge französische Phrasen drechselt und sein Germanentum verleugnet. Haß gegen England, das zweimal mit frechstem Völkerrechtsbruch Kopenhagen bombardierte und die Flotte stahl? Keine Spur. Aber den schäbigen Deutschen, die sich so viel einbilden, muß man eins auf den Kopf geben. Dafür weht das rote Danegbrogbanner mit dem weißen Kreuz auf den Orlogs, dafür die schlagfertigen Soldaten im dunkelblauen Rock und braunem Überrock mit rotweißen Schals. Und doch hatte man den dänischen Märchendichter Andersen in Deutschland verhätschelt und wie einen Einheimischen eingebürgert, so daß unsere Dekorationen früher auf seinem eiteln Kinderherzen klimperten als der Danebrogorden. Vom kalten klassizistischen Epigonen Thorwaldsen machte man ein Aufhebens, dessen sich deutsche Originalkünstler wie Cornelius und Kaulbach natürlich nicht erfreuten. Die Deutschen werden sich auf diesem Punkt niemals bessern. Wenn Welschgängerei und Affenliebe für Frankreich überwunden, werden sie zu Skandinavien und Russen beten. Nur das eigene Große werden sie stets benörgeln oder plattzudrücken suchen, wenn es sich regt, es sei denn, es schmuse sich mit zeitlichen Gewalten an. Um diese Zeit rang schon ein weltbewegender deutscher Genius mit der harten Not, bewitzelt und niedergeschrien, jemand, von dem ein Musiksimpeler wie Otto noch nie etwas vernahm, ein gewisser Richard Wagner. Nun, er hatte das Talent, alt zu werden. Auch der Schönhauser ging ja jetzt schon ins 43. Jahr, und nichts für die Unsterblichkeit getan. Da haben die reinen Geistesschöpfer es freilich besser. Ihr Ton, aus dem sie kneten, ist nicht so spröde, nichts hindert sie, wenigstens vor sich selbst und wenigen Verständigen ihres Geistes Spur zu hinterlassen. Wenn aber dieser preußische Gesandte heute starb, was blieb von ihm? Eine Reihe wundervoller Berichte und Depeschen im Archiv des Auswärtigen Amtes. Wenn später mal ein Historiker darin stöberte, würde er sich wundern: dies scheint ein sehr begabter Mann gewesen, schade! Ja, ja, wir stehen alle in Gottes Hand ...
    »Königliche Hoheit! – Exzellenz! – Willkommen in Schweden!« empfing sie Baron Blixen mit der unvergleichlichen schwedischen Höflichkeit und Gastfreundschaft. Sein Schloß lag hoch und weiß auf einer Halbinsel inmitten eines breiten Sees. Düstere Eschen beschatteten die sonnige Einsamkeit, die Natur schien hier ewig einen stillen Sonntag zu feiern. Soll man ihn stören durch Schüsse auf feiste Rehböcke? Der Geist ist willig, doch das Fleisch schwach und die Jagdpassion stark. Die Jagden nahmen kein Ende, später bei Graf Plessen in Roeskilde, dann wieder nach Schweden hinein. Heidekraut, Wachholder, Rosmarin, Torfmoor, wunderliche Felsblöcke wie versteinerte Trolls, o, hier unter Harzgeruch einschlummern, wo keine versiegelte Depesche den Europamüden erreicht. Es ist Entweihung, diese Wildnis zu stören und auf scheue Birk- und Auerhähne zu fahnden, aber der sündige Mensch tut es doch und stolpert dabei auf einer Felskante und verletzt sich das linke Schienbein.
    Durch Umschläge schien der Schaden bald geheilt, und nun ging es wieder aus dem Urwald zurück, wo graue Bergnasen spöttisch eine Nase zu drehen und tanzende, rotgetupfte Forellen im schäumenden Wasser die menschliche Hetz- und Fraßgier zu verhöhnen schienen. »Ich werde doch wohl noch hierher auswandern«, schrieb er an Nanne. So tief steckt in jedem Germanen der Urmensch, das Einssein mit der freien Natur, was ihn allzeit vom Romanen, Slawen und allen Nichtariern unterscheidet. Doch lebt dies Sehnen nach Frei- und Alleinsein zutiefst im Deutschen, der
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