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Urmels Lichterbaum im Eismeer

Urmels Lichterbaum im Eismeer

Titel: Urmels Lichterbaum im Eismeer
Autoren: Max Kruse
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Eine
Tiersprech-Stunde mit i
     
    Ob jedes der
Tiere einen kleinen Sprachfehler hatte, darüber kann man streiten. Vielleicht
waren es ja nur Besonderheiten, durch die man sie auch unterscheiden konnte.
Aber sie neckten sich gegenseitig damit und versuchten sie einander
abzugewöhnen. Außer dem Urmel sprach auch Wutz fehlerfrei, allerdings konnte
sie ein leises Grunzen, meist am Ende eines Satzes, nicht unterdrücken, ein
deutliches Öfföff. Nun, das war ja nicht so schlimm. Da konnte sie den anderen
doch gut Sprechunterricht geben, zumal es ja auch sie gewesen war, die als
Allererste das Sprechen gelernt hatte. Das war zu der Zeit gewesen, als der
Professor, Tim Tintenklecks und sie noch in der Universitätsstadt Winkelberg
gewohnt hatten. Ach, das war lange her, öfföff! Wie viel hatten sie alle
inzwischen schon erlebt!
    Was
den Sprachunterricht der Tiere anbetrifft, so war der Professor recht froh
darüber, dass Wutz ihm diese Mühe abnahm. Er hatte wirklich anderes zu tun, zu
lernen, zu studieren, zu forschen, zu erfinden.
    Stell
dir also vor, dass Wutz und die meisten Tiere sich in der kleinen Stube trafen,
in der das Urmel wohnte. Es waren nie alle Tiere, denn jeder konnte kommen, wie
er wollte — oder auch nicht. Das Urmel hockte sich dann meist in seinen
Schaukelstuhl und wippte hin und zurück, hin und zurück, immer wieder. Wutz
machte das manchmal sehr nervös.
    Schusch,
der Schuhschnabel mit dem großen Schnabel — daher hatte er seinen Namen — , das
schöne Tier mit dem dichten Federkleid, stand am liebsten im Rahmen des offenen
Fensters. Wawa, die kleine Echse mit der spitzen Zunge, verzog sich unter des
Urmels Bett; er lag gern in Höhlen. Deshalb liebte er auch seine Muschel am
Strand so sehr. In ihr verbrachte er seine Nächte, träumte oder er machte das
Dach zu, wenn die Sonne zu heiß brannte. Dann war er glücklich darüber, dass
die Sonne über ihn hinwegtschog und der Mond über ihn hinwegtschog... Wawa
konnte das Z nämlich nicht gut aussprechen. Es kam immer ein Zischlaut heraus,
wie wenn eine der ganz alten Dampflokomotiven langsam anfährt. Dann zischt sie
auch erst einmal und stößt weißen Dampf aus. Solche schönen Dampflokomotiven
gibt es bei uns kaum noch. Manchmal sieht man sie noch auf kleinen
Nebenstrecken. Aber in Indien und China zum Beispiel fahren noch viele. Nun,
Dampf stieß Wawa ja nicht aus, sonst hätte ihn Wutz wohl nicht ins Haus
gelassen. Aber er spuckte manchmal kleine Tröpfchen, obwohl er sich viel Mühe
gab es zu vermeiden.
    Ping
Pinguin beneidete Wawa um seine Muschel, er hätte auch gern eine Mupfel gehabt.
Seine schwache Stelle beim Sprechen war nämlich das Sch, er sprach es so
ähnlich wie ein Pf. In der Urmelstube sprang er meist auf die Matratze vom
Urmelbett und stand aufrecht, wie ein Dirigent im Frack, über Wawa. Die beiden
waren ein Herz und eine Seele und liebten es, Wutz immer wieder ein bisschen zu
ärgern.
    Seele-Fant
war selten dabei, auch Babu, der Bambusbär, nicht. Der Panda lebte neben Tim
Tintenklecks in einem eigenen Baumhaus, er war ein Eigenbrötler und kam nicht
sehr oft in die Tier-Sprech-Schule.
    Da
der Unterricht völlig freiwillig war, ging es nicht immer sehr ernst zu.
    Heute
sagte Wutz: »Also, Schusch soll mal einen Satz mit vielen Is üben. Er sagt
immer noch Ä statt I.«
    »Was
‘n für ‘n Satz, Wutz?«
    »Ja,
ich weiß auch nicht, öfföff. Viele Is. Hm. Vielleicht: ›Spitzfindig, öfföff,
ist die Liebe!‹«
    »Das
sänd aber zämläch väle Äs!«
    »Was
soll ‘n das heißen: Schlitzfindigöfföff?«, fragte das Urmel schaukelnd.
    »Sitz
still!«, rief Wutz. »Und mach mich nicht nach, öff. Es heißt spitzfindig, öff,
und das bedeutet so viel wie ganz schlau, aber auch übergenau, öfföff!«
    »Na,
ob die Liebe ganz pflau ist, das glaube ich aber nicht«, verkündete Ping
Pinguin auf dem Bett. »Ich glaube, die Liebe ist eher das Gegenteil. Und ohne
Öfföff, natürlich!«
    »Ach«,
zischte Wawa unter dem Bett hervor, »was weitscht du denn schon von der Liebe,
Ping? Die Liebe kann doch gantsch schön schlau sein!«
    Schusch
plinkerte mit seinen Vogelaugen. Er fragte: »Also soll äch nun üben — oder
nächt?«
    »Ja,
Schusch soll mal üben: Witzfindig...«
    »Nein,
öfföff, nicht witzfindig, sondern spitzöffig!«
    »Ob
dä Läbe nun wätzfändäg oder spätzfändäg äst, das äst für mäch ganz Feder wä
Flügel. Ä bleibt Ä wä Ä«, plapperte Schusch.
    »Sag
den Satz, Schusch, oder ich werde böse,
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