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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt
Autoren: Norbert Zähringer
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Okay?»
    Er schwieg.
    «Was ist mit Kindern?»
    «Mein Sohn ist aus dem Haus. Und das ist er schon lange. Wir haben kaum Kontakt.»
    Sie schüttelte den Kopf. «Sohn ist Geheimnis Nummer zwei. Du musst verraten. Hat Kinder?»
    «Weiß- oder Rotwein?»
     
    Bei ihrer Rückkehr war es dunkel. Laska fuhr einen alten Volvo, dessen Keilriemen jedes Mal quietschte, wenn er langsam in eine Kurve bog. Als sie vor seiner Einfahrt hielten, bat er sie, vorher auszusteigen, weil die Garage vollgestellt sei.
    So stand sie allein auf der Straße, während er den Wagen einparkte. Der Mond war im ersten Viertel und beschien das schmiedeeiserne Tor. Sie tat ein paar Schritte darauf zu. Etwas hatte sich verändert. Zunächst fiel ihr nicht auf, was, doch dann stellte sie fest, dass die Kette, die um die Gitterstangen der beiden Torflügel gewickelt war und mit dem Vorhängeschloss gesichert wurde, anders lag: Jetzt hingen zwei Enden unter dem Schloss herab. Jemand hatte das Tor geöffnet und es nur nachlässig wieder verschlossen.
    «Hallo?», rief Laska von der Garage aus. Und dann vorsichtiger: «Anna, kommst du?»
    Und wenn ich nun nicht käme, dachte sie, was machst du dann?
     
    Kaum waren sie im Haus, bat er sie nach oben. «Ich will dir etwas zeigen.»
    Sie war auf der Hut.
    «Wir müssen uns beeilen», fügte er hinzu.
    Er ging die Treppe hinauf, und sie dachte über mögliche Ausreden nach.
    «Na, komm schon», rief er.
    Sie seufzte, dann folgte sie ihm.
    Als sie auf dem oberen Treppenabsatz stand, ging plötzlich das Licht aus. Das Zimmer, das ihrem – dem Zimmer mit dem Astronautenteppich – gegenüberlag, bewohnte Laska. Die Tür war nur angelehnt, sie hörte ihn etwas hin und her räumen, sah ihn aber nicht gleich. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und aus dem Zwielicht schälten sich Schemen heraus: An einer Seite entdeckte sie ein großes Bett, an der anderen einen Schrank. Ein klobiger Tisch stand am Fenster, neben einer offenen Balkontür. Laska hievte irgendetwas hinaus, auf die Terrasse. Als er draußen war, bauschte sich hinter ihm der Vorhang. Dann fiel der Stoff wieder zur Seite, und sie sah vor dem nur etwas helleren Mantel der Nacht seine Umrisse im Türrahmen. Er kam ihr fremd vor. Irgendwie größer. Sie spürte Angst in sich aufsteigen und das Verlangen, aus dem Zimmer, aus dem Haus zu rennen. Hatte sich Miss Popo nicht genauso gefühlt, als sie zum ersten Mal mitbekam, wer der Mann, den sie heiraten wollte, wirklich war? Laska sagte nichts. Etwas hielt er in der Hand, es sah aus wie ein Knüppel. Klack! Plötzlich floss schummriges rotes Licht daraus hervor. Eine Taschenlampe – aber er hatte eine Folie vor den Reflektor geklebt, sodass sie nur rotes Dunkelkammerlicht abgeben konnte. Langsam strich der purpurne Schein über das Bett.
    Noch im Restaurant hatte sie begonnen, Vertrauen zu ihm zu fassen. Nicht dass ihr das gefallen hätte, aber es war eben so. Vielleicht weil sie, auch wenn sie versuchte, nicht daran zu denken, völlig allein war. Ein wenig tat er ihr auch leid. Sie spürte, dass in seiner Vergangenheit etwas schiefgelaufen sein musste. Dass er schon lange darauf wartete, mit jemandem zu sprechen. Für einen Augenblick war sie sich ganz sicher gewesen, dass er sie in Wirklichkeit nur deshalb zu sich geholt hatte, um etwas zu klären, um etwas abzuschließen, um eine Geschichte zu Ende zu bringen, die nichts mit ihr zu tun hatte. Und da hatte er ihr noch etwas mehr leidgetan, denn es war klar, dass er Zeit brauchen würde, um mit der Sprache herauszurücken. Doch dann wäre sie nicht mehr da. Aber jetzt? Das rote Licht kroch ihre Beine hoch.
    «Komm schon», drängte Laska, «er kann nicht ewig warten.»
    Verdammt, schoss es ihr durch den Kopf, was mache ich, wenn es
zwei
sind? «Wer wartet da draußen?», fragte sie scharf.
    Laska zuckte leicht zusammen, er neigte den Kopf zur Seite. «Der Mond.»

Die Geschichte vom Mann im Mond
    Der Mann im Mond habe ihm das Leben gerettet, hatte der Oberst seiner Enkeltochter immer erzählt, und auf die Frage, wie er das gemacht habe, der Mann im Mond, hatte Konew geheimnisvoll geantwortet, dass der Mann im Mond ihn einmal gewarnt habe vor einer Sache, die so grausig gewesen sei, dass er es ihr nicht erzählen könne, ganz abgesehen davon, dass er es ihr auch nicht erzählen dürfe; und da ihr Großvater in diesem Augenblick einen Lidschlag lang sein jungenhaftes Lächeln verloren hatte, wagte es Anna nicht, trotz aller drängenden
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