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Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin
Autoren: Emily Hainsworth
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ich hasse es, wie diese fremde Person es umklammert, als besäße sie ein Stück von mir. Als hätte sie ein Anrecht darauf. Wut steigt in mir hoch. Ich greife danach, bevor ich auch nur überlegen kann, wie sie es eigentlich hält, und sehe meine eigene Hand vor meinen Augen grün werden. Meine Finger streifen ihre Finger – körperlich, warm –, und ich zucke zurück. Mein Mund steht offen, kein Ton kommt heraus.
    Ich hebe meine Hand in die Höhe. Sie sieht wieder normal aus.
    Nur dass sie kribbelt, wo wir uns berührt haben.
    Sie starrt ebenfalls auf ihre Hand. Ich sehe das grün gefärbte Weiße ihrer Augen, so groß sind sie.
    Hastig weiche ich zurück.
    »Cam, warte!«
    Meine Ferse stößt gegen einen Stein, und als mein Hintern auf dem Boden aufknallt, bleibt mir fast das Herz stehen, aber ich bin in null Komma nichts wieder auf den Beinen. Ich erreiche die Mitte der leeren Straße, sehe mich hektisch um und bleibe stehen.
    Sie hält mein silbriggrünes Feuerzeug in der ausgestreckten Hand, als wollte sie es mir anbieten. Das darf nicht wahr sein – ich gehe nicht wieder dorthin zurück. Ich will nichts mit diesem Mädchen zu tun haben. Aber es ist mein Feuerzeug …
    Viv hat es mir geschenkt.
    Der Gesichtsausdruck des Mädchens ist undurchdringlich, und ich muss an die griechischen Sagen denken, die wir letztes Jahr durchgenommen haben und in denen die Helden häufig Ungeheuern in weiblicher Gestalt zum Opfer fallen. Das würde jetzt wohl auch mit mir passieren, wenn das Ungeheuer so schlau gewesen wäre, als Viv zu erscheinen.
    Sie streckt die Hand noch weiter aus. Das Zippo wirkt groß in ihrer kleinen Handfläche, und die Metallhülle schimmert unheimlich grün. Nur meine Initialen in der schnörkellosen Schrift sind mir vertraut.
    Ich gebe mir einen Ruck und gehe wieder auf sie zu, greife zögernd in das Licht. Jeder Nerv in meiner Hand kribbelt, aber ich packe das Feuerzeug und halte es ganz fest. Ein frischer Frühlingsduft steigt mir in die Nase, ähnlich wie Vivs Parfum, und ich kann beinahe ihre warme, seidige Haut spüren. Ich schließe die Augen.
    »Cam, ich habe dich so sehr vermisst …«
    Viv?
    Es prickelt, wenn wir uns berühren, und ich merke, dass sie es auch fühlt. Sie muss es sein – oder? Ich will die Augen nicht aufmachen. Ich will meine Lippen auf die zarte Haut an ihrem Puls drücken, ihren Arm hinauffahren bis zu ihrem Mund und in einem endlosen Kuss mit ihr verschmelzen.
    Doch sie zieht mich vorwärts.
    »Komm zurück«, flüstert sie.
    Ich öffne die Augen, und es ist nicht Viv. Zwei kleine, unvertraute Hände umfassen meine rechte Hand, und ich kann durch alle drei hindurchschauen. Das Geistermädchen zieht mich zu sich, sanft, aber unnachgiebig. Mein Arm ist jetzt bis zum Ellbogen grün. Die seltsame Lichtdurchlässigkeit kriecht bis zu meiner Schulter hinauf, dann über meine Brust, und es fühlt sich an wie elektrischer Strom unter meiner Haut. Ich sehe an mir herunter, sehe meinen ganzen Körper grün werden und denke … ich bin bereit. Ich lasse es geschehen, was auch immer es ist.
    Gerade will ich wieder die Augen schließen, als mein Blick auf Vivs Gesicht fällt, auf ein Foto links von mir. Die Farben um den soliden Holzpfeiler herum sind trist und erdig im Vergleich zu dem hell leuchtenden Grün. Ihr Ausdruck scheint zu sagen: »Verlass mich nicht.«
    Ich ziehe meinen Arm zurück und stemme die Fersen in den Boden.
    »Nein!« Das Mädchen wankt, und ich sehe die Panik in ihren Augen. Ich spreize die Hand und will sie abschütteln, aber sie lässt nicht los.
    Das Ungeheuer hat mich in seinen Krallen.
    Ich schubse sie mit aller Kraft von mir, sodass sie hinfällt. Seit ich nicht mehr Football spiele, habe ich niemanden mehr so hart angefasst. Eine Schrecksekunde lang glaube ich, dass ich es nicht mehr aus dem grünen Licht herausschaffe, doch dann sehe ich die Fotos, sehe Viv, und es ist, als würde sie mich auf sicheres Terrain geleiten. Mein ganzer Körper kribbelt wie verrückt. Ich klammere mich an den Mast, drücke mein Gesicht an ihr Bild und bete, dass diese unheimliche Energie durch meine Poren aus mir herausbrennt. Als das Kribbeln genug nachgelassen hat, dass ich keine Angst mehr habe, mich zu bewegen, lasse ich mich auf den Boden sinken. Ich krieche über den Bürgersteig, bis ich weit genug weg bin, und übergebe mich ins Gebüsch.

SECHS
    W enn ich mich nicht bald am Riemen reiße, habe ich ein echtes Problem – noch eins. Ich beschließe, dass es das
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