Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin
Autoren: Emily Hainsworth
Vom Netzwerk:
kleine Wölbung unter dem Futter bemerke. Na endlich! Da ist ein kleiner Riss, den ich hastig vergrößere, weil ich so ein Verlangen nach der Zigarette habe, aber als ich die Hand herausziehe und mein Zippo sehe statt des billigen Bic-Feuerzeugs, nach dem ich gesucht habe, erstarre ich.
    Mit dem Daumen fahre ich über das Monogramm, das sie mir zu meinem siebzehnten Geburtstag hat eingravieren lassen – C.P. Ich schließe die Faust um das Feuerzeug, damit ich es nicht ansehen muss, aber es zu fühlen ist noch schlimmer. Kühl, glatt und hart. Meine Fingerknöchel werden weiß. Ohne nachzudenken, schleudere ich es in die zerfetzten Büsche, in denen Vivs Vorderreifen zum Stehen kamen. Ich bin sicher, dass das die Stelle ist, denn als ich neben ihrem leblosen Körper aufwachte, mit Glasscherben übersät und nach Benzin stinkend, bin ich um das Auto herumgetaumelt und in dieses Gebüsch gefallen. Es war dornig und unnachgiebig, und ein paar Tage später habe ich die Kratzer unter meinem Shirt entdeckt. Ich erinnere mich an nicht mehr viel von diesem Abend – abgesehen von ihrer blutüberströmten Gestalt, die regungslos an dem zersprungenen Fenster auf der Fahrerseite lehnte –, aber ich erinnere mich an dieses verdammte Gebüsch.
    Wenn ich das blöde Feuerzeug nicht fallen gelassen hätte, wenn Viv mich nicht ausgelacht hätte, weil ich so ein Tollpatsch bin, und sich selbst danach gebückt hätte, wenn sie nicht so schnell gefahren wäre, damit wir zu mir nach Hause und ins Bett kamen, und wenn es nicht geregnet hätte, würde ich wahrscheinlich nicht hier stehen und auf diese jämmerliche Gedenkstätte auf dem Gehweg glotzen.
    Ich wünschte, sie wäre für mich.
    Blödes, beschissenes Feuerzeug.
    Es war eine schlechte Idee, hierherzukommen. Ist es immer.
    Hastig drücke ich mich an dem Strommast vorbei, als ich eine Stimme hinter mir höre.
    »Cam?«
    Ich drehe mich halb um, aber da ist niemand.
    Auch als ich mich ganz umdrehe, sehe ich niemanden, obwohl ich schwören könnte, dass ein Mädchen meinen Namen gerufen hat. Die Stimme klang ein bisschen blechern, als käme sie hinter rotierenden Ventilatorflügeln hervor.
    »Mr Pike.« Ein tieferes Timbre überrascht mich. Ich fahre herum und sehe Coach Reed vor mir – Mr Reed, den stellvertretenden Direktor der Fowler Highschool. Er mustert mich mit diesem abschätzenden Blick, der einem das Gefühl geben soll, dass er einem bis auf den Grund der Seele sehen kann. Seit ich das Team verlassen habe, funktioniert das nicht mehr bei mir.
    »Pike, Sie befinden sich auf dem Schulgelände.«
    Ich warte auf die Pointe.
    Er nimmt mir die Zigarette aus dem Mund und gibt sie mir. Mist.
    »Selbst wenn Sie achtzehn wären, wäre Rauchen auf dem Schulgelände immer noch verboten.« Er deutet über die Straße zu dem mit Graffiti besprühten Bushäuschen, wo die Raucher der Fowler High Zuflucht suchen, Schüler und Lehrer gleichermaßen. »Wenn Sie sich das Laster angewöhnen wollen, machen Sie es außerhalb.«
    Ich starre auf die Bank in dem Unterstand, auf das übel zugerichtete Sicherheitsglas, das so zerkratzt ist, dass es nicht mehr als Fenster gelten kann. Dann blicke ich wieder hinüber zu Vivs Schrein, den Karten, dem Gebüsch, dem Strommast. Durch dieses Glas könnte man nichts davon sehen. Ich betrachte die unangezündete Zigarette in meiner Hand. Dachte ich wirklich, sie würde mir schmecken ohne sie? Ich werfe sie in den Rinnstein.
    »Hab gerade aufgehört, Sir.«
    Sieh mal an – vier Worte. Ich gehe weg, ehe Mr Reed – ich werde ihn nicht Coach nennen – Zeit für eine Erwiderung hat. Ich kann seine Besorgnis regelrecht spüren. Da ich ohnehin gerade in Mathe sein sollte, schlendere ich auf die Schule zu und ziehe eine lädierte Metalltür auf, die in den Flur vor dem Kunstraum führt. Er ruft mir hinterher.
    »Camden …«
    Ich werfe die angebrochene Zigarettenpackung in einen Mülleimer, bevor die Tür hinter mir zufällt.
    Die Schulkantine quillt wie üblich über. Etatkürzungen oder Missmanagement beim Kuchenbasar haben die Schule dazu gezwungen, den Raum zu maximieren, statt ihn zu erweitern. Das Traurige ist, dass fast alle lieber hier draußen in dem schummerigen, angestaubten Korridor essen als an den Tischen in dem hell erleuchteten Saal, der nach alter Pizza stinkt. Fast alle, mich eingeschlossen.
    Entlang der Wand gibt es zahlreiche Nischen vor den Doppeltüren, die in die Aula führen, und das sind immer heiß begehrte Plätze, weil man da ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher