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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
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steinigten. Was sie natürlich nicht täten, Steinigen macht zu viel Krach. Ralf kroch hinten am Stamm entlang und sah sich die Rücken an. Dieser war zu breit, der zu hoch, blond war sie auch nicht. War alles bloß eine Verwechslung und Miriam nicht die Australierin, die Anita beschrieben hatte? Noch vier Rücken, dann kam der Oberstrauch, und der sah Miriam nicht im Geringsten ähnlich.
    War sie das? Die Größe könnte stimmen und die Jacke kam Ralf bekannt vor. Miriam hatte genau so eine angehabt, als es in Crocodylus zu regnen begonnen hatte. Etwas füllig sah sie aus, aber das lag vielleicht an einem dicken Pullover. Die Kapuze verhinderte einen Blick auf Frisur und Profil.
    Das Etwas im Fluss sah immer mehr einem Schnabeltier ähnlich. Plötzlich hob es seinen Hintern in die Höhe und tauchte mit sanftem Plätschern ab. Einer Frau entfuhr ein vergnügtes Glucksen, was ihr einen scharfen Blick des Zeremonienmeisters eintrug. Der brachte bestimmt wenig Verständnis auf für romantische Anwandlungen während der Platypus-Darbietung. Ralf hatte keine Zeit für Erklärungen, zu lange warten wie damals, als ihm die Spinne entwischt war, wollte er auch nicht. Er würde Miriam kurz auf die Wange küssen, zur Begrüßung, als ob nie was gewesen wäre. Hallo, weißt du noch - mein Versprechen - hier bin ich.
    Energisch fasste er an die Kapuze, zog sie zur Seite, setzte zum Kuss an und - konnte gerade noch anhalten. Die Frau war erstens nicht Miriam und zweitens ziemlich erschrocken, zum Glück zu sehr, um zu schreien. Miriam saß zwei Plätze weiter und hatte der Frau offenbar ihre Jacke geliehen.
    »Willst du zu mir?«, fragte sie.
    »Ja.« Hätte er nur zwei Plätze weiter geschaut: Sie hatte die Patchwork-Latzhose an, die mit dem Hintern zum Reinbeißen, daran hätte er sie erkannt.
    »Hast du sie noch alle, hier so einfach...«
    »Scht!«, fauchte der Oberstrauch. »Hinsetzen!«
    Direkt am Ufer tauchte der Platypus auf, und offenbar fand er ziemlich komisch, was sich vor ihm abspielte, denn er schien tatsächlich zu grinsen.

    »Du hast mich mit dieser Fetten verwechselt?«
    Miriam und Ralf hatten sich auf dem Rückweg ein paar Meter abgesetzt.
    »Sie hatte deine Jacke an.«
    Er hatte befürchtet, während des Versuchs, das Unerklärliche zu erklären, nur sinnloses Zeug zu stammeln, mit herumfuchtelnden Händen, weil sich Unsinn auch in Gebärden schwer ausdrücken lässt. Doch war er kaum zu Wort gekommen: Miriam hatte ihn mit einer Reihe Schimpfwörter eingedeckt und eine Liste Verfehlungen folgen lassen, die bis nach Melbourne zurückreichte. Letzter Punkt auf der Liste: der missglückte Versuch, sie mit einem Kuss zu überraschen.
    »Wenn du jeden küsst, dem ich meine Jacke leihe, bekommt sie das nächste Mal eine Agakröte.« Ihre Augenbrauen bildeten ein deutliches »V«. Ralf fiel auf, dass sie auch wütend hübsch aussah.
    »Ich hab sie nicht geküsst.«
    »Aber du wollest. Sie hat dich bloß nicht gelassen, kann ich gut verstehen übrigens.«
    »Ja, kann ich auch verstehen.«
    Er versuchte, ihren Blick zu erwischen. »Gibt es eine Möglichkeit, dass du mir verzeihst? Kann ich irgendwas tun - egal was - ich rutsch auch den restlichen Weg bis zum Backpacker vor dir rum, wenn du willst.«
    Miriam schätzte die Entfernung ab. »Probier mal. Los, fang an.«
    Ralf überlegte, ob das ihr Ernst war. Das waren nur vierhundert Meter.
    »Okay. Dann kann ich gleich den Sklaventag einlösen.« Ralf sank auf die Knie.
    »Moment. Das ist nur ein Eignungstest. Wenn er mich überzeugt, kannst du morgen nach Cairns zu Kristine zurückrutschen. Oder ist sie hier?«
    »Nein, ich sag doch, es ist aus.«
    Miriam ging einfach weiter. So kam Ralf nicht hinterher, außerdem tat das verdammt weh. Er stand auf und rieb sich die Knie. »Ich weiß, ich war vollkommen schwachsinnig. Ich bitte um Vergebung, Gnade, irgendwas.«
    »Die Einsicht kommt ein bisschen spät.«
    »Liegt vielleicht am Zeitunterschied?« Oje, ein Riesenwitz.
    »Ha-ha. Hast du deswegen auch nie dieses Gedicht hingekriegt?«
    »Vielleicht.«
    »Dann hast du bis zum Backpacker Zeit. Wenn mir das Gedicht gefallen sollte, darfst du morgen mein Sklave sein, und übermorgen überlege ich mir eventuell, ob ich jemals wieder mit dir spreche.«
    »Okay, abgemacht.«
    »Okay? Woher willst du so schnell ein Gedicht nehmen?«
    »Ist schon fertig.«
    Miriam sah ihn zweifelnd an. Ralf versuchte, sich zu konzentrieren. Jetzt keinen Mist, nicht jetzt.
    »Und?«
    »Pass
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