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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
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sie auf den Horizont gehopst und schickte Ralf eine Breitseite Licht vor die Füße, angenehm warm, unangenehm hell. Er marschierte ins Zentrum, obwohl kein Reisebüro um diese Zeit geöffnet hatte. Als er ein paar Schleifen gedreht hatte, wurde ihm klar, dass er immer noch Miriam suchte. Nun, das war aussichtslos - selbst wenn sie noch mal im Food Court essen wollte, auch der würde erst in ein paar Stunden öffnen. Ralf ging weiter, vorbei an der Stelle, an der das Mädchen aufs Pflaster gestürzt war, und stellte sich vor, dass es jetzt im Krankenhaus lag und von gut gelaunten Schwestern aufgepäppelt wurde.
    Er könnte sich von Helge und Julian verabschieden - vielleicht hatte Miriam den gleichen Gedanken. Das war wieder ein Fall von Es-sich-Zurechtwünschen, aber es schadete nichts, er hatte nichts Besseres vor.

    Das Calypso machte einen ziemlich verschlafenen Eindruck. Er setzte sich vor die Tür und bastelte an dem Gedicht für Miriam. Not macht erfinderisch, Einsamkeit dichterisch. Falls er sie noch wiedersehen sollte, wäre es nicht schlecht, endlich ein paar Verse zu haben, das schuldete er ihr, egal ob sie es wollte oder nicht.
    Nach der ersten Zeile hörte Ralf drinnen Geräusche. Er klopfte, die Tür ging auf, vor ihm stand der Rothaarige mit der Sabberlippe. Er sah Ralf verdutzt an und fragte: »Suchst du mich?« Er sei einer der Sumo-Ringer gewesen, erklärte der Rothaarige zu seinem Verschwinden in der Diskothek. Er kochte in der Küche eine Kanne Kaffee.
    »Ich bin aber erst später drangekommen, fast eine halbe Stunde war ich halb nackt im Nebenraum. Willst du auch Kaffee? Wir müssen für meine Kumpels was übrig lassen, die wollen sicher einen Schluck, bevor wir zum Tauchen fahren. Hast du mal angerufen wegen des Fernrohrs?«
    Der Typ spielte immer noch den Unschuldigen.
    »Klar.«
    »Und?«
    »Die konnten mir nichts Neues sagen. Ich rufe gleich noch mal an, dann kannst du dich mit denen unterhalten.«
    »Am Ende des Gangs ist ein Telefon.«
    Der Rothaarige kam mit, offenbar nicht weiter beunruhigt über die Aussicht, mit dem Einsturz seines Lügengebäudes konfrontiert zu werden.
    Am Telefon meldete sich die gleiche Stimme wie beim letzten Mal.
    »Das Fernrohr - erinnern Sie sich?«, fragte Ralf.
    »Ja - das ist wieder aufgetaucht.«
    »Was?«
    »Ja, ist wieder da. Wir können es Ihnen zuschicken. Meiner Kollegin tut die Sache sehr Leid, sie hat das Fernrohr für eine Pumpe gehalten und in die Garage geräumt. Es ist etwas schmutzig geworden, wir haben es aber auseinander nehmen und reinigen lassen. Einwandfrei. Wenn Sie mir Ihre Adresse sagen...«
    Ralf gab ihm die Adresse des Motels. Es war ein Wunder. Das Fernrohr war nicht nur wieder da, sondern sogar heil. Ralf wäre augenblicklich zu Fuß nach Brisbane aufgebrochen, um Kristine morgen früh das Gerät, auf Hochglanz poliert, zu Füßen zu legen. Aber wozu - es kam von selbst.
    Die Kumpels, mit denen der Rothaarige zum Tauchen wollte, waren Julian und Helge. Sie teilten sich den Kaffee und schmierten Vegemite -Brote. Julian bot eine Scheibe an, Ralf griff zu.
    »Wie geht es mit Kristine?«, fragte Helge.
    Ralf biss ab, um während des Kauens eine Antwort zu überlegen. Es gab aber nichts zu überlegen.
    »Wir haben uns getrennt.«
    »Was?« Helge war baff.
    »Sie hat mich heute Nacht rausgeschmissen.«
    »Wegen Miriam?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Ich dachte, ihr seht das nicht so eng. Hat sie zumindest gesagt.«
    Was meinte er damit? Ralf fiel ein, dass Hilda ihm den Tipp gegeben hatte, Helge wegen dieses Typen in Surfers zu fragen.
    »Was ist eigentlich in Surfers Paradise passiert?«
    »Was fragst du mich? Ich hab Kristine nicht mal angefasst. Da kommt der an wie ein eifersüchtiger Gorilla und will mir eine verpassen. Hilda hat ihm Tränengas in die Augen gesprüht. Du weißt schon, das von Tchibo.«
    »Ach das. Warum hat er dich angegriffen?«
    »Nur weil ich mit Kristine gequatscht habe.«
    »Aber sie kannte ihn doch gar nicht.«
    »Das kann sie ihrer Mutter erzählen. Die sind da turtelnd Hand in Hand die Promenade entlang.«
    Aha. Eigentlich war es gut so, jetzt musste Ralf kein schlechtes Gewissen mehr haben - und sogar das Fernrohr war wieder da.
    »Ralf, versteh mich nicht falsch, aber da ihr euch doch getrennt habt, da könnte ich mich... sollte ich mich dann nicht ein bisschen um Kristine kümmern? Sie wird doch ziemlich allein sein.«
    »Gute Idee, Helge.«
    Die drei mussten sich beeilen, um rechtzeitig auf das Boot zu kommen.
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