Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
Vom Netzwerk:
Ralf verabschiedete sich Richtung Zentrum, um seinen Rückflug zu buchen. Und um Miriam zu treffen, falls sie doch... Es wäre zwar weder logisch noch gerecht, aber vielleicht hatte er ja Glück.

    Das Schaufenster des Reisebüros lockte mit Attraktionen, die Ralf allesamt gestohlen bleiben konnten. Er setzte sich im Schatten des Vordachs auf den Boden und wartete - eine halbe Stunde noch, bis der Laden aufmachte. Beinahe wäre er eingeschlafen, als eine bekannte Stimme ihn aus seinem Tran riss:
    »Na, ganz allein?«
    Hilda sah grinsend zu ihm herunter. In ihrem Schlepptau Miguel, beide voll bepackt mit Rucksack und Isomatte.
    Ralf nickte. »Habt ihr vielleicht Miriam gesehen?«
    Die zwei sahen sich an. »Die ist heute Morgen abgefahren.«
    »Wohin?«
    »In die Tablelands. Frag mich nicht, wo das ist.«
    »Das ist Richtung Atherton, ins Landesinnere«, sagte Miguel, »da fährt ein Bus hin.«
    Hilda grinste. »Hat dich deine Freundin rausgeschmissen?«
    »So ungefähr.«
    »Und jetzt willst du zu Miriam zurück?«
    »Na ja, würde ich schon. Sieht aber nicht gut aus.«
    »Tja, wirklich Pech.«
    Miguel fragte: »Und warum suchst du sie dann?«
    Ralf zuckte mit den Schultern. »Um mich zu entschuldigen.« Der Spanier nickte. »Nimm den nächsten Bus und fahr hinterher.«
    Hilda behauptete, wenn er das mit ihr gemacht hätte, würde sie lieber in einer Mülltonne übernachten, als sich irgendwelche Entschuldigungen anzuhören.
    Aber Miguel sagte: »Du hast sie verletzt, also musst jetzt du ihr hinterherlaufen.«
    »Hat sie was über mich gesagt?«
    Hilda lachte. »Sie hat gesagt, du seist ein Riesenarsch, Schwächling, Superblödmann, Muttersöhnchen und noch ungefähr zehn weitere Titel.«
    Ralf nickte. »Noch was?«
    »Ja - du müsstest eigentlich wissen, wo sie hinwill, wärst aber sicher zu doof, dich daran zu erinnern.«
    Sie unterdrückte ein Kichern und besprach mit Miguel ihre Reiseroute: Indonesien, Malaysia, Thailand, Kambodscha, Vietnam. Ralf begann, sich überflüssig zu fühlen. Es war Zeit zurückzufliegen, bevor er noch mehr Schulden anhäufte und Unheil anrichtete. Er musste seinen Rucksack von Kristine holen und könnte dann zum Reisebüro zurückkehren.

    Auf dem Weg zum Motel ließ sich Ralf den Satz durch den Kopf gehen. Er wusste also wo, aha. Er hatte noch nie was von Atherton oder den Tablelands gehört. Mit Doofsein hatte das nichts zu tun - er hatte einfach nicht die geringste Ahnung. Okay, er war Kristine auch hinterhergefahren, ohne zu wissen, ob er sie finden würde. Aber nur, um sich anzuhören, dass er zu doof war, musste er weder Zeit noch Geld verschwenden. Das wusste er auch so: zu doof, sich zu erinnern, wo Miriam hinwollte, zu doof, rechtzeitig zu merken, zu wem er gehörte, und zu doof für das Leben überhaupt. Er würde seinen Rucksack nehmen, sich von Kristine verabschieden und heimfliegen, mit einer russischen Propellermaschine, falls nötig.

    Kristine machte die Tür auf, musterte ihn kurz und fragte, ob Ralf bei Miriam gewesen sei.
    »Nein.«
    Sie sah ihm ins Gesicht, ob das die Wahrheit war.
    »Wo dann?«
    »Spazieren, nachdenken, ich konnte nicht mehr schlafen.«
    Kristine setzte sich aufs Bett, nahm die Sonnenmilch und begann, sich einzucremen.
    »Und, hast du zu Ende gedacht?«
    »Ich weiß jedenfalls, was ich tun werde.«
    Sie fragte nicht, was das sei. Stattdessen gab sie ihm die Sonnenmilchflasche. »Kannst du mir den Rücken eincremen?«
    Kristine zog ihr T-Shirt aus und drehte Ralf den Rücken hin. Ralf wusste nicht so recht: Eincremen - wollte sie zum Baden oder was? Hier gab es keinen Strand. Vielleicht war das ein Versöhnungszeichen, was natürlich nett war, aber das mit Kristine hatte absolut keinen Sinn mehr.
    Sie lächelte ihm über die Schulter zu, fasste ihre langen blonden Haare zu einem Zopf zusammen, nicht ohne Ralf einen kurzen Blick auf ihre Brust zu gewähren, auf der die Haare landeten.
    »Und?«, fragte sie.
    Also gut, kurze Versöhnung, dann nach Hause und die Schulden abarbeiten, in einer Sanitärputzkolonne oder wo auch immer. Zögerlich begann er, Milch aufzutragen und zu verreiben. Es war ein Kokosprodukt, schwerer süßlicher Duft strömte von ihrer gleichmäßig braunen Haut auf. Ralf hielt die Luft an und machte schnell.
    »Fertig.«
    »Massierst du mich ein bisschen? Mein Rücken ist ziemlich verspannt.«
    Ein bisschen Massage war eigentlich keine große Sache. Nur hatte Ralf deutliche Vorahnungen bei der Geschichte. Er versuchte, kein Gefühl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher