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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
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sagte er, hätten den Eindruck, dass sie sich langweile. Ob sie nicht Lust habe, zu ihnen an die Bar rüberzukommen?
    Am Tresen wartete Robert, ein bisschen jünger als Paul, dunkle Haare, hellblaue Augen, sportliche Figur. Er redete weder so laut noch so viel wie sein Freund, sagte dafür häufig etwas mit einem Blick oder einem Lächeln, was ihn Kristine sympathisch machte. Dazwischen bestellte er immer wieder »noch einen« von etwas Durchsichtigem auf Eis.
    Kristines Englisch wurde gelobt, die beiden sparten nicht mit Komplimenten: Eine so schöne junge Frau wie sie, die weite Reise allein, sei das nicht ein bisschen gefährlich? Ob es zu zweit nicht besser wäre?
    »Nein.« Das wäre ja doch wieder auf eins hinausgelaufen: Beziehungskiste. Pärchenurlaub hatte sie mal mit einem früheren Freund gehabt, es war ein ständiges Absprechen und Rücksichtnehmen: Willst du da- oder dorthin, bleiben oder weiterfahren, Camping oder Pension, tanzen oder wandern? Kaum Freiräume, andauernd Kompromisse.
    Robert lachte. Er warf ihr spöttische Blicke zu, während Paul irgendeine blöde Geschichte über europäische Touristinnen erzählte. Offenbar glaubten die beiden nicht an ihr Nein, aber zumindest Paul konnte sich jegliche Mühe sparen. Den nächsten Blick von Robert dagegen fing sie auf, sie war ja kein Rührmichnichtan. Ein Flirt war schon okay, und wenn sich dabei herausstellen sollte, dass man sich sympathisch ist, dann war im Urlaub eine kurze Affäre zumindest nicht unmöglich: keine Besitzansprüche, keine Eifersucht, niemand verletzt. Sie lächelte Robert an - auch wenn sie nicht verstand, was er gesagt hatte - und ignorierte seinen Freund so gut es ging. Paul brauchte eine Weile, bis er merkte, dass ihm keiner zuhörte, und sich verabschiedete.
    Nachdem sie sich fast eine Stunde über nichts unterhalten hatten, zahlte Robert Kristines Cocktail und eine lange Liste Schweralkoholisches und sagte, er gehe jetzt schlafen, weil er morgen früh rausmüsse.
    Kristine sah auf die Uhr. »Mein Gott, schon eins.«
    Er bot an, sie zur Zimmertür zu begleiten. Im Lift fragte sich Kristine gerade, was dort wohl passieren würde, als etwas Seltsames geschah: Beim Aussteigen rammte die Holztür des Fahrstuhls Roberts Ferse - und er schien es überhaupt nicht zu bemerken …
    »Kann ich noch mit reinkommen?«, fragte er.
    Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihm einen Kuss auf die Wange zu geben und Gute Nacht zu sagen. Aber jetzt wäre ihr das vorgekommen, wie vor dem Ende aus dem Kino zu gehen.
    »Okay, fünf Minuten.«
    Sie sperrte auf, er lächelte, und mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte.

    Die Farbe des Kuchens erinnerte Ralf an Pfefferminz. Sie hatten ihn auf dem Rückweg gekauft, mit einer Flasche Cabernet Sauvignon. Jetzt saßen sie im Wohnzimmer, Miriam entkorkte die Flasche, schenkte ein und tauchte den Pfefferminzkuchen tief ins Glas, worauf er seine Farbe in ein fremdartig braunfleckiges Violett änderte. Sie zog das Stück wieder heraus und biss davon ab, ohne dass ein Tropfen auf dem Tisch landete. Ralf schüttelte es.
    Sie grinste. »Das Wundermittel gegen einen Jetlag. Probier mal.«
    Überraschenderweise schmeckte der Kuchen kein bisschen nach Pfefferminz, sondern pappsüß, was für Mädchen. Um nicht unhöflich zu sein, aß er sein Stück auf, und dann noch eins, und schließlich ein letztes, weil aller guten Dinge drei sind.
    Auf dem Heimweg hatte Miriam begonnen, von ihrer ältesten Freundin in Australien zu erzählen. Carol war auf der Uni ihre Tutorin: groß, schüchtern und, was ihr nicht bewusst zu sein schien, sehr schön. Beinahe sofort waren sie Freundinnen geworden, trotz des Altersunterschieds, und sie hatten sich bis vor zwei Wochen immer alles erzählt, einfach alles.
    »Ich hätte es ja wissen müssen: Carol ist Fisch.«
    »Äh - und?«
    »Ralfi - Fische sind glubschäugig, phlegmatisch und nicht zu dauerhaften Bindungen fähig. Sie schwimmen zickzack, auch bei ihren Freundschaften.«
    Schon wieder Astroanalyse. Weil die arme Carol einmal was nicht gleich erzählt hatte, wurde sie jetzt ein Leben lang unter »hoffnungslose Sternzeichen« abgelegt. Ralf nahm sich vor, vorsichtig zu sein.
    »Kannst du dir das vorstellen: Als ich mit David zusammen war...«
    »David?«
    »Der jetzt in Sydney wohnt, mit dem ich in den Urlaub fahre.«
    »Du bist nicht mehr mit ihm zusammen, willst aber mit ihm in den Urlaub fahren?«
    »Warum nicht? So verlieren wir uns nicht total aus den
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