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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
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»Schwimm schon mal zurück. Ich komme gleich.«
    Grimmig machte er sich auf den Weg, aber sein Ärger legte sich schnell. Wenn sie rauskam, würde er zumindest sehen, ob sie ganz nackt war - obenrum war ohnehin schon klar.
    Ein Blick auf Miriams Sachen sagte ihm, dass sie tatsächlich nackt sein musste, denn da lag ihre Unterwäsche. In dem Moment kam sie aus dem Wasser. Ralf hatte sich vorgenommen, cool vorbeizusehen. Aber ihr Busen wippte, als sie mit schnellen Schritten angelaufen kam, und weiter unten irritierte ihn ein schmaler Strich schwarzes Haar. Wegschauen war ziemlich schwierig.

    Kristines Versuch, sich bei Miriam zu beschweren, war am Anrufbeantworter gescheitert. Um das Beachvolleyballnetz machte sie diesmal einen Bogen und nahm den Bus in die City: Harbour Bridge, Oper und diesen Markt wollte sie noch sehen, aber dann war es Zeit, sich zu verabschieden von der Stadt der schwachen Volleyballspieler, der ewig abwesenden Kontaktpersonen und der kotzenden Hotelgäste.
    Nach einmal Paddington Market rauf und runter stand fest: mehr als die paar Buden und fahrenden Händler gab es hier nicht. Miriams Zettel empfahl »Klamotten kaufen«, aber Kristine hatte nur alternativen Kram entdeckt wie eine mit Patchwork bestickte Latzhose, die Flicken im Höhlenmalerei-Look der Aborigenes. Immerhin stand am Ende der Gasse ein Anhänger, dessen Ware nach Kleidung aussah.
    Kristine hatte gerade ein paar Blusen angesehen, als sie hinter sich eine Stimme hörte: »Hast du das auberginefarbene Kleid gesehen, Kristine?«
    Es war Helge, dieser Volleyballtyp vom Bondi Beach. Sie hatte zwar keine Lust, sich Modetipps geben zu lassen, aber er hatte Recht: Das Kleid sah verdammt gut aus.
    »Probier’s doch mal an.«
    Kristine bedankte sich und verschwand mit dem knappen Traum-in-Aubergine in der Umkleide, deren Flügeltür man als Sichtschutz vergessen konnte, ebenso gut hätte sie sich vor der Tür ausziehen können. Helge beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Nun, sie dachte nicht daran, sich besonders zu verrenken - wenn er unbedingt was sehen wollte, bitte sehr.
    Das Kleid passte, als ob es der Designer auf die Haut gemalt hätte. Als Kristine mit Schwung die Flügeltür aufstieß, sah Helge sie an wie bei einem Heiratsantrag.
    »Darf ich’s dir schenken?«

    Am Ende des Piers konnte man Boote mieten oder mit der Fähre nach Williamstown fahren.
    »Da gibt es Pinguine«, erklärte Miriam.
    Ralf brachte diese Tiergattung eher mit Eisschollen als mit Sandstränden in Verbindung. So wie ihre Augen leuchteten, mochte Miriam Pinguine.
    »Pinguine sind meine Lieblingstiere«, erklärte sie auch gleich, »nach Platypussen.«
    »Platypusse?«
    »Auf Deutsch heißen sie Schnabeltiere. Der Schnabel ist ein bisschen nach oben gebogen, es sieht so aus, als ob sie dich angrinsen. Sie waren Maskottchen bei den Olympischen Spielen.«
    Ja, richtig, auch auf der Kappe, die Ralf trug, war so ein Vieh.
    »Und beim Tauchen paddeln sie mit den Pfoten. Supersüß.«
    Supersüß. Ralf sagte nichts.
    »Wir können aber auch zurückfahren«, schlug sie vor. »Wenn wir gleich eine Straßenbahn erwischen, gelten unsere Karten noch.«

    Sie hatten Glück: Der Schaffner der Linie 8 ließ die Karten gelten.
    Während sich der Waggon in Bewegung setzte, wollte Ralf wissen: »Erzähl mal, was dich nach Australien verschlagen hat.«
    »Meine Eltern. Mein Vater hat lange versucht, es vor mir geheim zu halten, aber er ist vor dem Finanzamt geflohen.«
    »Geflohen?«
    »Ja. Er hatte eine halbe Million Steuerschulden. Da hat er in Deutschland alles verkauft, meine Mutter und mich ins Flugzeug gesetzt und wir haben in Melbourne neu angefangen.«
    »Und was war mit dir? Der Schule und deinen Freunden?«
    »Ich bin nicht gefragt worden. Meine Eltern haben mich hier auf eine gute Schule geschickt und alles bezahlt.«
    »Ich dachte, sie hätten Schulden?«
    »Ha! Meine Eltern stinken vor Geld. Mein Vater zahlt nur nicht gern Steuern.«
    »Und warum ausgerechnet Australien? Waren deine Eltern mal da?«
    »Nein, nie. Sie haben nur eine Fernsehsendung zu den Olympischen Spielen gesehen, die hat ihnen gefallen. Und dann gab es da noch einen Grund, glaube ich, der hatte mit mir zu tun.«
    Miriam runzelte die Stirn. Ein Schatten schien auf ihr Gesicht zu fallen.
    »Welchen anderen Grund?«
    Sie zögerte.
    »Vielleicht sind sie nach Australien ausgewandert, weil es so ziemlich der am weitesten von Deutschland entfernte Fleck auf Erden ist.«
    »Und was hat das mit dir zu
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