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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
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Augen. Wir schreiben uns noch und telefonieren ab und zu. Allerdings...«, sie runzelte die Stirn, »...in letzter Zeit nicht mehr häufig. Aber er hat mir unseren Urlaub fest versprochen.«
    Ralf zuckte mit den Schultern.
    »Also: Als ich mit ihm zusammen war, hab ich Carol immer alles erzählt. Und sie hat mir Ratschläge gegeben. Eigentlich fand sie ihn zu alt für mich.«
    »Wie alt ist er denn?«
    »Er ist dieses Jahr vierzig geworden.«
    »Vierzig?«
    »Mein Gott, er sieht jünger aus. Also: Carol hat gesagt: ›Mädel, der will dich ausnutzen.‹«
    Carol schien Ralf recht vernünftig zu sein. Vierzig war uralt.
    »Schau nicht so. David hat weder Rheumadecken noch trinkt er aus Schnabeltassen.«
    Ralf war nicht überzeugt. »Und - hat er dich ausgenutzt?«
    Miriam sah ihn an, als ob sie sich verhört hätte, dann brach sie in Gelächter aus. »Wenn du damit meinst, ob wir in den drei Monaten nicht nur Händchen gehalten haben - ja. Ich wollte es, Dummie.«
    »Würdest du es im Urlaub wieder wollen?«
    Sie kicherte. »Ich glaube schon.«
    »Ist eure Beziehung jetzt beendet oder nicht?«
    »Na ja, es ist zwar offiziell Schluss, aber nicht endgültig.« Sie betrachtete ihn und fragte: »Sag mal, bist du katholisch erzogen oder so was?«

    Bevor er sich auf das Sofa schlafen legte, zog Ralf aus dem Rucksack, eingebettet zwischen Jeans und Handtuch, fünf Kilo Stahl und Glas hervor, die beim Gepäckdurchleuchten vor dem Abflug für Ärger gesorgt hatten. Lang und breit musste er erklären, was das war und warum er es mitgenommen hatte: keine Rohrbombe, ein Teleskop - Kristines Mini-Sternwarte. Schwer und empfindlich, nicht ideal für eine Reise um die halbe Welt. Sie hatte es zu Hause gelassen, wie das Handy. Romantisch, wie Kristine war, hatte sie den Blick auf die Sterne sicher schon vermisst.
    Er strich über die kühle, glatte Oberfläche und fühlte das reibungslos drehende Objektiv. Katholisch erzogen! Miriam und ihre Larifari-Beziehungen. Kristine war anders. Sie liebte den Sternenhimmel und - hatte selbst was von einem Stern.

    Roberts Blick ging über Kristine hinweg. Er schien etwas sagen zu wollen, konnte aber nicht. Ihr war sofort klar, was passieren würde, und in dem Augenblick geschah es auch: Er drehte sich weg und würgte, bis bunter Mageninhalt - Meeresfrüchte waren zu erkennen - an den Türstock klatschte und hinunter auf den Boden fiel. Er sank in die Knie und übergab sich noch mal, diesmal auf den Fußabstreifer. Dann sagte er kläglich: »Sorry.«
    Mechanisch holte Kristine ein Handtuch aus dem Bad, hielt es ihm ins Gesicht und presste seine rechte Hand dagegen. Dann packte sie ihn und stellte ihn auf die Füße. Er zitterte, hielt sich aber auf den Beinen.
    »Weißt du, wo dein Zimmer ist?«
    Er nickte schwach. Kristine war nicht sicher, ob er es wirklich wusste - egal. Sie schob ihn Richtung Lift und schloss die Tür.
    Ihr Zimmer war durchdrungen vom Geruch des Erbrochenen, es war einfach eklig. Sie wusch sich die Hände und öffnete das Fenster.
    Nach ein paar Minuten sah sie draußen nach. Robert war weg, das Handtuch fand sie vor dem Lift. Gut - damit ließ sich der Türstock abwischen. Den Fußabstreifer wusch sie in der Dusche, bevor sie ihn zum Trocknen wieder vor die Tür legte.

5.
    Am Morgen, auf dem Weg ins Bad, fand Ralf Miriam in der Küche, sie begrüßte ihn mit: »Na, gut geschlafen?«
    »Oh ja. Dein Jetlag-Gegenmittel hat Wunder gewirkt.«
    »Sag ich doch. Magst du Tee?«
    Als er sich nach der Dusche zu ihr in die Küche setzte und Karamelltee schlürfte, fragte Miriam: »Willst du heute nach St. Kilda, an den Strand?«
    »Ich weiß nicht - meinst du, Kristine ruft inzwischen an?«
    »Vielleicht heute Abend.«
    Ralf nickte. »Na gut - warum nicht?«
    »Nimm eine Mütze mit, wegen der Sonne.«
    »Ich hab keine Mütze.«
    Mit Mütze sah er aus wie sechzehn.
    »Du kannst eine von mir haben. Oder dir eine kaufen.«
    »Zeig mal deine...« Der Wein hatte ein tiefes Loch in seine Kasse gerissen.
    Miriam kramte in ihrem Schlafzimmer und kam mit einer Baseball-Mütze an, auf die ein Schnabeltier mit Patschpfötchen und treuherzigem Blick gedruckt war. Oh Mann - nur gut, dass ihn in Melbourne niemand kannte.

    Kristine klingelte minutenlang, immer und immer wieder, kein David machte auf. Nur ein Fenster öffnete sich und der Kopf einer Frau erschien. Sie sagte, Dr. Limb sei nicht zu Hause, zwecklos, es so oft zu probieren. Wahrscheinlich sei er bei seiner Freundin in Melbourne.
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