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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
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in dem Kebab-Stand sah angestrengt in einen Minifernseher, es lief eine Rugby-Übertragung. Nachdem Ralf bezahlt hatte, hielt er nicht nur einen Kebab in der Hand, sondern auch 90 Dollar zu viel - der Typ hatte ihm statt auf 10 auf 100 Dollar rausgegeben.
    Wunderbar - ein Zeichen des Schicksals. Mit dieser Finanzspritze konnte er eine Woche länger Urlaub machen, er konnte Miriam was Nettes kaufen zur Versöhnung, er musste nicht mehr jeden Dollar umdrehen, ein Geschenk des Himmels. Geld war in Ralfs Leben immer so eine Sache gewesen: Als er zehn war, hatte ihm ein Lehrer vorgerechnet, dass er sich mit zwanzig einen gebrauchten Porsche von dem Geld kaufen könnte, das er nicht für Zigaretten ausgab. Ralf hatte das Rauchen nie angefangen - nur wo war das verdammte Geld? Es reichte gerade für einen gebrauchten Tankdeckel.
    »Fehlt was?«, fragte der Mann, sein Blick blieb am Bildschirm kleben.
    Diebstahl oder Betrug war das nicht, so viel war klar, der Typ hatte ihm das Geld freiwillig gegeben. Also, warum nicht einfach weitergehen?
    Warum nicht?

    Ibo, so hieß der Mann am Kebab-Grill, hatte den Fernseher leiser gestellt und warf nur noch ab und zu einen Blick auf das Spiel. Als Dank hatte er Ralf ein Light-Bier spendiert und sich selbst auch eins aufgemacht.
    »Bist du hier zu Besuch oder machst du eine Tour?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht fliege ich gleich wieder zurück.«
    »Warum das denn?«
    Ralf erklärte ihm die Lage, aber Ibo war nicht überzeugt.
    »Zurückfliegen ist Quatsch, Australien ist großartig. Warst du mal im Dschungel?«
    Ralf lachte. »Warum im Dschungel?«
    »Im Norden gibt es Dschungel. Wenn du nach Cairns kommst, kannst du meinen Cousin besuchen, der hat ein Dschungelrestaurant. Nicht weit weg von der Küste und dem Great Barrier Reef.«
    »Klar, wenn ich in die Gegend komme, mach ich das.«
    »Er heißt Jean-Paul, das Restaurant ist in einem Camp, das da irgendwo in der Gegend sein muss. Sag ihm einen schönen Gruß von mir, er soll dir was Anständiges kochen. Das Camp heißt Crocodylus .«
    »Okay. Wie finde ich da hin?«
    »Keine Ahnung, ich war noch nie da. Er hat nur mal eine Karte geschrieben.«

    Auf dem Rückweg verlief sich Ralf ein paarmal. Als er es endlich fand, hatte das Reisebüro geschlossen. Im Schaufenster hing allerdings eine große Australienkarte, auf der Ralf nach längerem Suchen Cairns entdeckte. Von Melbourne aus waren das drei- bis viertausend Kilometer. Das kam mit seinem bisschen Geld nicht infrage - also?

    »Also?«, fragte Miriam zu Hause. »Was willst du jetzt machen?«
    Ralf stopfte seine Siebensachen in den Rucksack.
    »Ich fliege zurück.«
    »Hast du schon einen Flug?«
    »Nein.«
    »Hör mal«, begann sie, »wegen vorhin...«
    »Ja, tut mir Leid, das war bescheuert. Kann ich’s irgendwie wieder gutmachen?«
    Sie grinste. »Wie wär’s mit Abwaschen?«
    »Äh, gut. Ich wollte mich sowieso noch bedanken, dass ich bei dir wohnen konnte.«
    Ralf nahm es ziemlich genau beim Abwasch, die Tassen blitzten wie Kronjuwelen. Miriam erzählte ihm unterdessen, dass sie Carol am Telefon erwischt habe.
    »Ich frag sie, ob sie nicht Lust hätte, ein paar Tage wegzufahren, und denk mir, jetzt muss sie rausrücken mit ihrem neuen Lover. Stattdessen erzählt sie mir was von ihrer Oma! Der Gipfel! Nicht mal als Putzfrau kommt die mir wieder in die Wohnung.« Sie sah ihn an. »Du kannst übrigens gerne noch bleiben, aber ich denke, ich habe eine bessere Idee. Pass auf: Kristine fährt mit dem Bus die Küste lang zum Great Barrier Reef.«
    »Nach Cairns?«
    »Genau. Ich habe ihr da eine Diskothek empfohlen, die heißt The Beach . Wenn du auch mit dem Bus fährst, triffst du sie vielleicht schon auf dem Weg dorthin. Vielleicht in Surfers Paradise oder Brisbane. Rucksacktouristen laufen sich ständig über den Weg. Und das Beste: Ich komme mit, zumindest bis Sydney. Vielleicht begleiten David und ich dich noch ein Stück, er wollte immer mal in die Tropen.«
    Während Miriam im Reisebüro anrief, ließ sich Ralf alles durch den Kopf gehen. Die Tropen waren weit weg - aber vielleicht musste er ans Ende der Welt, um seine Freundin wiederzufinden. Dreieinhalbtausend Kilometer, weil er baden war, statt auf ihren Anruf zu warten. Als Quittung des Schicksals ein bisschen heftig, es war ja nichts passiert, außer dass Miriam keinen Badeanzug dabeihatte und er, na ja, kurz mal ihren Körper gemustert hatte. Wahrscheinlich war es eine Prüfung wie in einem Adventure Game und er am
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