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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Joerg Riehl
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nicht...«
    »Oh, schon gut.«
    Sie drehte sich weg, klappte das Horoskopbuch zu, wickelte sich ein Sweatshirt um den Kopf und zog ein kleines Kissen aus dem Handgepäck.
    »Was steht in dem Buch?«, wollte Ralf wissen.
    »Dass Männer emotional eine Wüste sind.«
    »Ich nicht.«
    »Ach.«
    »Meine Gefühle für Kristine zum Beispiel.«
    »Schön für dich.«
    Ralf hatte einen passenden Vergleich im Kopf. »Tief wie die See, stürmisch wie der Wind und ewig...« Ewig wie was? Der Tod passte nicht so gut. »Ewig wie - na ja, auch wie die See.«
    Miriam sah ihn zweifelnd an, dann gähnte sie und lehnte sich herüber, die Beine angezogen. Nach einem »Gute Nacht« schloss sie die Augen. Ralf kam sich ein bisschen beengt vor und rückte ans Fenster. Draußen sah er immer noch Häuser, Geschäfte und Tankstellen, Leuchtreklame an Leuchtreklame. Er wurde das Gefühl nicht los, gerade was falsch gemacht zu haben.
    Plötzlich fiel es ihm ein: Ewig wie der Wechsel von Ebbe und Flut, hätte er sagen sollen.

    Eine Stunde später waren die meisten im Bus eingeschlafen. Der Bus fuhr auf dem Highway immer geradeaus, draußen war nicht viel zu sehen, nur ab und zu Warntafeln wie »Machen Sie Pause, wenn Sie müde sind« oder »Schläfrige Fahrer sterben«. Haha: Ralf konnte nicht schlafen und sterben höchstens durch tödliche Langeweile.
    Miriam hatte ihren Sitz nach hinten gestellt und das Kopfkissen zwischen ihren und Ralfs Sitz geklemmt. Da lag sie, friedlich mit ihrem Sweatshirt-Turban an das Kissen gekuschelt, die Schulter auf Ralfs Seite. Vorsichtig lehnte er sich dagegen und fühlte: warm. Sie grunzte und schmiegte sich an. Dagegen konnte eigentlich keiner was haben. Miriam tat das nicht mit Absicht, und er, er liebte Kristine, also keine Gefahr. Wenn er seinen Sitz auch nach hinten stellen würde, wäre es bequemer. Miriam würde dann wahrscheinlich auf seinen Sitz herübersinken, er könnte sie ein bisschen in den Armen halten und an sie gekuschelt einschlafen. Ralf ließ den Sitz, wie er war. Pippi Langstrumpf hatte ihm als Kind auch gefallen, ihn hatte nur gestört, dass sie ein Mädchen war. Immerhin benahm sie sich nicht wie eines.
    Bevor sie losfuhren, hatte er noch mal ins Badezimmer geschaut: Die Kondome waren aus dem Regal verschwunden. Miriam legte es doch tatsächlich darauf an, im Urlaub ihr Verhältnis mit diesem David wieder aufzunehmen - oder die Gummis waren für Abenteuer unterwegs. Liebte sie David jetzt oder nicht? Wenn ja, wäre es ziemlich frech, was mit anderen zu haben. Schließlich konnte man schlecht gleichzeitig in zwei verliebt sein.
    Der Bus wurde langsamer und hielt an einer Station. Nachdem der Fahrer mit den Fingern eine Zehn gezeigt und die Türen geöffnet hatte, stieg Ralf mit ein paar Leuten aus. Ein junger, chinesisch aussehender Typ fragte, was er hier so vorhabe.
    »Ich suche meine Freundin.«
    »Sie sitzt noch im Bus, glaube ich.«
    Das mit dem Jetlag war eine tückische Sache: Auch nach dem Stopp konnte Ralf nicht schlafen. Er versuchte es mit An-Kristine-Denken.

    Kristine liebte Bondi nicht, da konnte die Frau aus dem Reisebüro versprechen, was sie wollte. Natürlich war es das Backpacker gewesen, wo die drei Italiener untergekommen waren - und Helge. »Super«, erklärte er, als er sie entdeckte, er habe doch gewusst, dass sie sich wiedersehen würden. Super, dachte Kristine, tatsächlich, er schlief sogar im gleichen Zimmer.
    Beim Abendessen in der Gemeinschaftsküche erzählte er ihr seine Lebensgeschichte: Weil er nach der Bundeswehr nicht gewusst habe, was als Nächstes tun, habe er eine Reise nach Australien gemacht. Toll, nicht? Er sei schon eine Woche in Sydney, wolle aber noch woanders hin. Was für ein Zufall, dass sie sich am anderen Ende der Welt kennen gelernt hatten!
    Kristine sagte nichts.
    »Wie lange willst du bleiben?«, fragte er.
    »Weiß ich noch nicht.«
    »Ich wollte vielleicht so, hm, übermorgen weiter?«
    Er sah sie fragend an, sie zuckte mit den Achseln. »Musst du wissen.«
    »Willst du in den Norden?«
    »Mal sehen. Ich bin müde, ich hau mich aufs Ohr.«
    Aber Helge war für einen Wink mit dem Zaunpfahl unempfindlich. »Ja, richtig, ich bin auch müde.«

    Ihr Schlafraum war ein hässliches mittelgroßes Zimmer mit Linoleumboden und vier Stockbetten aus Stahlrohr. Geschmückt war der Raum mit einer nackten Glühbirne, einem Schild mit rot durchgestrichener Zigarette und einer Tafel mit der Aufschrift: »Damit eines klar ist: Keine Besucher
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