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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht
Autoren: Karl Heinz Brisch
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großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Bindungsmusters hat.
Studien mit dem Adult Attachment Interview (AAI)
    Das AAI (Main & Goldwyn 1998. Dt.: Gloger-Tippelt 2001) wurde ursprünglich als System mit den drei Bindungskategorien »sicher« (z. T. auch als »frei« oder »autonom« bezeichnet), »unsicher-abweisend« (auch »distanzierend«, »deaktivierend«, »vermeidend«) und »unsicher-anklammernd« (auch »ambivalent«, »präokkupiert«, »verstrickt«, »hyperaktivierend«) konzipiert.
    Metaanalysen haben gezeigt, dass diese Kategorien eher Pole zugrunde liegender Dimensionen sind (van IJzendoorn & Bakermans-Kranenburg 1996). Die Dimension »abweisend-anklammernd« wurde als »Bewältigungsstil« bezeichnet, die Dimension »sicher-unsicher« als »Bindungssicherheit«. Dabei fällt auf, dass der – klinisch besonders relevante – unsichere Pol der Dimension »Bindungssicherheit«zunächst nicht definiert war. In klinischen Stichproben fand sich immer wieder ein hoher Anteil nicht klassifizierbarer Interviews mit kontrastierenden unsicheren Bindungsrepräsentanzen. Für diese wurde die Behelfskategorie »Cannot Classifiy« (CC) gebildet. Mittlerweile liegen zwei Konzepte unsicher-desorganisierter Bindung im AAI vor. »Unverarbeitete« (U) Bindung wird codiert, wenn sich nach einem Trauma oder Verlust sprachlich-logische Auffälligkeiten beim Sprechen über dieses Thema zeigen oder aber wenn in der Folge dieses Ereignisses eine psychopathologische Symptombildung zu beobachten ist. Ein Beispiel hierfür wäre eine Abhängigkeitsentwicklung nach einer Vergewaltigung. Von der Arbeitsgruppe um Lyons-Ruth (Lyons-Ruth et al. 2003) wurde das Konzept »hostile-helpless« (HH; »feindselig-hilflos«) entwickelt. Dieses beinhaltet kontrastierende und nicht integrierte Bewertungen von Selbst und Bindungsfigur.
    Studien mit dem AAI weisen sehr gemischte Ergebnisse auf, es finden sich fast alle unsicheren Bindungsmuster. In einer deutschen Studie fand Amann (2009) abweisende, unverarbeitete und Cannot-classify-Repräsentationen bei drogenabhängigen Jugendlichen mit Cannabis-, Alkohol- und polytoxem Konsum. Zwei Studien mit jugendlichen Psychiatriepatienten fanden anklammernde und abweisende Repräsentationen, die mit unterschiedlichen komorbiden Störungen zusammenhingen (Allen et al. 1996; Rosenstein & Horowitz 1996). Eine amerikanische Studie fand überwiegend feindselig-hilflose Repräsentationen (hostilehelpless) bei methadon-substituierten, überwiegend afroamerikanischen Müttern (Finger, 2006; Melnick et al. 2008). Zwei weitere Studien fanden unverarbeitete Traumata bei werdenden Eltern (Riggs & Jacobvitz 2002) und erwachsenen Psychiatriepatienten (Fonagy et al. 1996). Diese sehr unterschiedlichen Ergebnisse mögen zum Teil der Unterschiedlichkeit der untersuchten Stichproben geschuldet sein. Ein Zusammenhang zwischen Substanzmissbrauch im Allgemeinen und einer spezifischen AAI-Klassifikation erscheint danach aber als sehr unwahrscheinlich.
Fragebogenstudien
    Erstaunlicherweise sind die Ergebnisse der beiden einzigen vorliegenden Fragebogen-Studien mit dem Hazan & Shaver Self Report (HSSR; Hazan & Shaver 1987) kongruenter, obwohl auch sie sehr unterschiedliche Stichproben untersucht haben und obwohl Zweifel an der Validität von Bindungsfragebögen bei klinischen Stichproben bestehen. Sowohl erwachsene Heroinabhängige (Finzi-Dottan et al. 2003) als auch unausgewählte Substanzmissbraucher in einer repräsentativenUS-Studie (Mickelson et al. 1997) schrieben sich einen »vermeidenden« Bindungsstil zu. Dieser entspricht dem ängstlich-vermeidenden Bindungsprototyp nach Bartholomew & Horowitz (1991). Deren Modell umfasst das sichere, anklammernde und abweisende Muster analog dem AAI, fügt diesem aber am unsicheren Pol der Dimension »Bindungssicherheit« das ängstlich-vermeidende Bindungsmuster hinzu. Dieses umfasst zwei negative IWM: ein negatives Selbstmodell und ein negatives Modell anderer; außerdem Furcht vor Intimität, soziale Vermeidung als Versuch, sich vor erwarteter Zurückweisung zu schützen; ein Gefühl der persönlichen Unsicherheit sowie Misstrauen anderen gegenüber. Es fehlen funktionierende Strategien zum Umgang mit negativen Affekten und Beziehungserfahrungen (Bartholomew & Horowitz 1991; Horowitz et al. 1993; Doll et al. 1995).
Bindungsmuster junger Drogenabhängiger
    Eine eigene erste Studie untersuchte die Bindungsmuster junger Drogenabhängiger mit dem Bartholomew Attachment
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