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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht
Autoren: Karl Heinz Brisch
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Mühe gemacht, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Verfahren herauszuarbeiten.
    Im Bereich substanzbezogener Störungen kommt hinzu, dass deutliche Mängel im Hinblick auf die Erfassung des Substanzmissbrauchs und die Stichprobenauswahl bestehen. Es wird oft nicht klar, welche Substanzen wie häufig und in welchen Mengen konsumiert wurden. Ein weiteres Problem sind die oft hohen Komorbiditätsraten, die es schwer machen, die Rolle des Substanzmissbrauchs von der der anderen psychischen Störungen zu trennen (Übersicht bei Schindler et al. 2005).
Sichere und unsichere Bindung
    Trotz dieser Probleme lässt sich heute eindeutig belegen, dass eine sichere Bindung einen Schutzfaktor gegen und eine unsichere Bindung einen Risikofaktor für späteren Substanzmissbrauch darstellt. Jordan & Sack (2009) haben versucht, die Größe dieses Effekts metaanalytisch zu berechnen, und kamen auf Odd’s Ratios von OR = .60 bis .70. Dies bedeutet, dass bei einer sicheren Bindung ein etwa um ein Drittel niedrigeres Risiko in Bezug auf Substanzmissbrauch besteht. Dies heißt aber nicht, dass eine sichere Bindung völlige Abstinenz bedeuten würde. Vielmehr fanden Cooper, Shaver und Collins (1998), dass Jugendliche mit altersentsprechendem Probierkonsum sicherer waren als abstinente Gleichaltrige. Sobald es aber nicht mehr um Probierkonsum, sondern um Substanzmissbrauch und Abhängigkeit geht, ist der Zusammenhang mit der unsicheren Bindung wieder eindeutig (Schindler et al. 2005; Mikulincer & Shaver 2007).
Wechselwirkungen
    Üblicherweise geht man davon aus, dass sich unsichere Bindungsmuster bereits in der frühen Kindheit herausbilden und dann einen Risikofaktor für späteren Substanzmissbrauch darstellen. Dabei wird oft übersehen, dass Substanzmissbrauch seinerseits die Bindungsfähigkeit weiter beeinträchtigen kann. Mit fortgesetztem Konsum werden Beziehungserfahrungen vermieden, ersetzt und behindert. Zusätzliche Beeinträchtigungen können durch die Neurotoxizität der konsumierten Substanzen entstehen. Empirisch lassen sich diese Wechselwirkungen oder auch nur die Richtung eines Zusammenhangs bislang nicht belegen, da keine Längsschnittstudien vorliegen.
Bindungsmuster
    Bindungsmuster umfassen ein bestimmtes Maß an Bindungssicherheit, einen Bewältigungsstil und ein System der Affekt- und Beziehungsregulation. Sollten sich Zusammenhänge solcher spezifischen Bindungsmuster mit bestimmten Formen des Substanzmissbrauchs finden, so könnten damit Rückschlüsse auf all diese Bereiche – Bewältigungsstil, Affekt- und Beziehungsregulation – gezogen werden. Bindungsmuster beschreiben im Kleinkindalter die Qualität der Beziehung des Kindes zu einer bestimmten Bindungsfigur. Im Erwachsenenalter werden Bindungsmuster allerdings nicht mehr als Beziehungsvariable, sondern als individuelles Merkmal erfasst.
    Die Suche nach Zusammenhängen zwischen Substanzmissbrauch und spezifischen Bindungsmustern wird allerdings durch die verschiedenen Instrumente zu deren Erfassung erschwert. Bindungsinterviews wie das Adult Attachment Interview (AAI; Main & Goldwyn 1998) oder das Bartholomew Attachment Interview (Bartholomew & Horowitz 1991) bewerten vor allem die Art, wie jemand über seine Bindungsbeziehungen spricht. Fragebogenverfahren bieten dagegen verschiedene Kurzbeschreibungen von Bindungsstilen an, denen sich die Probanden dann zuordnen sollen. Beispiele sind der Hazan and Shaver Self Report (Hazan & Shaver 1987), der Relationship Questionnaire (RQ; Bartholomew & Horowitz 1991) oder der Bochumer Bindungsfragebogen (Neumann et al. 2007). Shaver & Mikulincer (2002) haben die so erfassten Bindungsstile als »Oberflächenindikatoren« für die im Interview erfassten Bindungsrepräsentationen bezeichnet.
    Bei Jugendlichen werden Bindungsmuster wie bei Erwachsenen als individuelles Merkmal erfasst. Dies geschieht teils mit den auch bei Erwachsenen verwendeten Instrumenten, teils aber auch mit jugendspezifischen Anpassungen wie z. B. dem AAI-Q-Sort (Kobak et al. 1993) oder jugendspezifischen Instrumenten wie z. B. dem Inventory of Peer and Parent Attachment (IPPA; Armsden & Greenberg 1987), dem Parental Bonding Instrument (PBI; Adam et al. 1994) oder dem Attachment Behavior Classification System for Young Adolescents (ABCP; Cobb 1996). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Jugendliche durchaus noch in einer bindungstheoretisch bedeutsamen Beziehung zu ihren Eltern befinden, deren Qualität auch zu diesem Zeitpunkt noch
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