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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht
Autoren: Karl Heinz Brisch
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Thematik.
    Wir haben daher versucht, die familientherapeutische Hypothese bindungstheoretisch zu operationalisieren und an einer Stichprobe junger Drogenabhängiger und ihrer Familien zu untersuchen. Wir haben dabei »familiäre Bindungsmuster«als Kombination der individuellen Bindungsmuster von Mutter, Vater und drogenabhängigem Jugendlichen untersucht. Die Stichprobe bestand aus den N = 37 Familien in familientherapeutischer Behandlung aus der bereits beschriebenen Studie, bei der beide biologischen Eltern teilnahmen. Dies schränkt die Verallgemeinerbarkeit ein, allerdings hätte die Berücksichtigung von Ein-Eltern-, Adoptiv-, Stief- und anderen Patchwork-Familien zu viele und bindungstheoretisch gravierende weitere Variablen mit sich gebracht. Wir gingen von der Hypothese aus, dass eine »unsichere familiäre Basis« und das familiäre Bindungsmuster der »Triangulation« die altersentsprechende Autonomieentwicklung verhindern und mit der Drogenabhängigkeit zusammenhängen. Wir erwarteten dabei vor allem triangulierte, verstrickte familiäre Muster, bei denen der Jugendliche für die konfliktbelastete elterliche Dyade eine Funktion hat und sich aus dieser nicht lösen kann. In unserer familientherapeutischen Stichprobe erwarteten wir eher weniger ausstoßende, zerfallende Familienstrukturen.
    Die Ergebnisse bestätigten diese Hypothese weitgehend. Im Durchschnitt aller Familien zeigten sich überwiegend triangulierte Muster aus ängstlich-vermeidenden Jugendlichen, anklammernden Müttern und abweisenden Vätern. Eine Clusteranalyse zeigte allerdings drei sehr unterschiedliche Muster. Zwar beschrieb das triangulierte Muster die Mehrheit der Familien (65 %), daneben zeigten sich aber noch ein »sicher-instabiles« (16 %) und ein »unsicheres« Muster (19 %) bei den am schwersten beeinträchtigten Familien. Das »sicher-instabile« Muster umfasste relativ sichere Mütter, nur wenig unsichere Jugendliche und anklammernde Väter. Ebenso wie beim triangulierten Muster gingen wir hier davon aus, dass die elterliche Dyade konflikthaft und instabil sei und die Jugendlichen hier wie dort Schwierigkeiten hätten, sich aus der familiären Verstrickung zu lösen.
    Beide Gruppen ließen sich familientherapeutisch erfolgreich behandeln (Schindler et al. 2010b). Im Unterschied dazu war das familientherapeutische Vorgehen bei den unsicheren Familien manchmal notwendig, aber alleine wenig erfolgreich. Hier waren alle Familienmitglieder sehr unsicher und mit behandlungsbedürftigen eigenen Problemen belastet. Unterschiede in den familiären Bindungsmustern haben also durchaus klinische Relevanz und sollten bei der Behandlungsplanung berücksichtigt werden. Künftige Studien sollten ihren Zusammenhang mit aktuellen Beziehungsparametern untersuchen (Schindler et al. 2007).
Therapeutische Implikationen
Familientherapeutische Ansätze
    Diese Studie leitet uns über zu den therapeutischen Implikationen der vorliegenden Untersuchungen. Bleiben wir zunächst bei der Thematik um Adoleszenz und Familientherapie. In der Literatur ist die Adoleszenz oft als »2. Chance« beschrieben worden, in der sich Problemlagen aus der früheren Entwicklung verändern können. Dabei bietet die Autonomieentwicklung in der Adoleszenz einen Ansatzpunkt bindungsbasierter Behandlungen. Familientherapeutische Settings bieten darüber hinaus die Möglichkeit, Bindungsstörungen in ihrem Entstehungskontext zu behandeln. Eine Übersicht über familientherapeutische Ansätze im Suchtbereich findet sich bei Schindler et al. (2010a).
    Der einzige explizit bindungsorientierte Ansatz in diesem Bereich ist die Attachment Based Family Therapy (ABFT; Diamond et al. 2007). Diese ist allerdings für depressive und suizidale Jugendliche entwickelt worden und hilft diesen, den verlorenen emotionalen Kontakt zu ihren Eltern wiederherzustellen. Doch auch die nicht explizit bindungstheoretischen Ansätze im Bereich der substanzbezogenen Störungen konzentrieren sich auf die Entwicklung von Autonomie und Bezogenheit im familiären Rahmen. Während dieser Aspekt bei den multimodalen Ansätzen wie der Multidimensional Family Therapy (MDFT; Liddle 2010; Gantner & Spohr 2010) ein Element unter mehreren darstellt, ist er bei Ansätzen, die im Wesentlichen mit der Kernfamilie arbeiten, zentral. Zum Beispiel wird in der Eppendorfer Familientherapie (Thomasius 2004; Schindler et al. 2010b) der Substanzmissbrauch als Versuch verstanden, gleichzeitig in der Familie zu bleiben und sich
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