Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp
Autoren: Martin Wehrle
Vom Netzwerk:
Guru. Wer Mitglied sein will, muss ums goldene Firmen-Kalb tanzen. Wehe dem, der seine Freunde außerhalb der Firma sucht, pünktlich Feierabend macht oder einsam durch Wälder joggt, statt sich von Laufband zu Ergometer über den Stand des Projektes auszutauschen!
    Ein solcher Judas wird mit der Höchststrafe belegt: Er fliegt aus der Sekte. Und spätestens im Kündigungsschreiben hat er seinen Chef als Duzfreund verloren: »Leider müssen wir uns von Ihnen trennen!«
    Am Ende wird der Ausgestoßene mit dem Philosophen Karl Popper erkennen: »Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produzierte stets die Hölle.« Das gilt erst recht für vorgetäuschte Himmel!
    Hamsterrad-Regel: Wer seine Freizeit in der Firma verbringt, bringt es im Leben zu mehr. Zum Beispiel zu: Herzinfarkt, Hörsturz, Burn-out.
    Deppen-Erlebnisse
    Wie mein Chef ein Überstunden-Rennen veranstaltete
    Mein Chef war mit seiner Versicherungsfiliale verheiratet. Egal wie früh man kam, er war schon da. Egal wie spät man ging, er blieb länger. Wer sich von ihm verabschieden wollte, wurde meist noch für einen »kurzen Gefallen« eingespannt. »Kurz« hieß: nicht unter einer Stunde. Überstunden sah er gerne, denn sie wurden nicht bezahlt.
    Bei einer Teamrunde verblüffte er uns mit einem Vorschlag: Er wollte eine »Ü-Prämie« einführen, eine Prämie für Überstunden. Der fleißigste Mitarbeiter sollte am Jahresende belohnt werden. Alle waren aufgefordert, ihre Überstunden zu erfassen und sie ihm am Monatsende mitzuteilen. »Damit Sie Ihre Chance auf die Prämie wahren«, sagte er. Als hätte es sich bei den Überstunden-Zetteln um Lottoscheine gehandelt – und nicht um ein raffiniertes Instrument der Kontrolle!
    Natürlich erzeugte das Druck: Wer bislang keine Überstunden gemacht hatte, kniete sich rein, nur um am Monatsende keine »Nullnummer« abliefern zu müssen. Und die ohnehin Überstunden-Geilen spielten bei Feierabend das Spiel: Wer sich zuerst (nach Hause) bewegt, hat verloren!
    Am Ende des ersten Monats hing im Gemeinschaftraum ein Zettel aus, auf dem alle 35 Mitarbeiter unserer Filiale gelistet waren. Ganz oben, an der Tabellenspitze, standen die Kandidaten mit den meisten Überstunden. Und ganz unten, im Tabellenkeller, fanden sich alle, die ihre reguläre Arbeitszeit nicht mindestens um eine zweistellige Stundenzahl übertroffen hatten.
    Die einen schämten sich. Die anderen waren stolz. Ein regelrechter Wettkampf begann: Jeder wollte ein paar Tabellenplätze gutmachen! Am Ende des Jahres hatte der strebsamste Kollege 700 Überstunden gesammelt. Dafür bekam er bei einer feierlichen Zeremonie die »Ü-Prämie« ausgehändigt: 1500 Euro. Der Chef tat großzügig. Dabei entsprach die Prämie nur einem (Über-)Stundenlohn von gut zwei Euro – etwa ein Sechzehntel dessen, was der Mitarbeiter regulär hätte verdienen müssen!
    Und alle anderen, auch ich, hatten ihre Überstunden der Firma spendiert! Anstelle von zusätzlichem Geld bekamen wir nur den Hinweis: »Im kommenden Jahr können Sie die Ü-Prämie bekommen – strengen Sie sich einfach an!«
    Wahrscheinlich stand das »Ü« doch eher für: übertölpelt!
    Jörg Eilts, Versicherungskaufmann
    Wie die Firma meinen Heiligabend verdarb
    Als Assistentin in einem Baukonzern teilte ich nicht das Millionengehalt meines Chefs, wohl aber seine Arbeitszeiten. Er betonte immer, wie gut ich es hätte, morgens erst ab 9.30 Uhr zu arbeiten, weil auch er dann erst anfing – aber er verlor kein Wort darüber, dass ich oft bis 22 Uhr bleiben musste, weil er dann erst aufhörte. Für ihn war es ganz selbstverständlich, dass ich sprang, wann immer er rief.
    Umso mehr freute ich mich, als der Weihnachtsurlaub nahte. Zu Hause hatte ich viel nachzuholen, für das Weihnachtsfest mit der Familie war vor lauter Arbeitsstress nichts vorbereitet. Aber zum 23. Dezember bestand die Hoffnung, dass ich schon am frühen Nachmittag abschwirren konnte.
    Doch ich hatte die Rechnung ohne meinen Chef gemacht: »Am 23. Dezember werden meine Kollegen und ich eine Feier für unsere Assistentinnen veranstalten – als Dankeschön für Ihren großen Einsatz!« Ich wollte mich schon freuen, da fügte er hinzu: »Wir starten um 21 Uhr, dann sind wir mit der Jahresabschlussbesprechung durch.« Und weil es so schön praktisch war, sollte die Feier nicht in einem Lokal, sondern im Gästesaal der Firma stattfinden: »Sorgen Sie für weihnachtlichen Glanz!«
    Statt mein eigenes Weihnachtsfest zu Hause
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher