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Billigflieger

Titel: Billigflieger
Autoren: Philip Tamm
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jemand als Ausstieg aufs Dach genutzt. Ich steige auf den Nachttisch, der unter dem Fenster steht, und will gerade durch die Luke klettern, als ich merke, dass sich die Zimmertür, die ich gerade noch mühelos öffnen konnte, seltsam nach innen wölbt. Der Lack auf dem Holz wirft Blasen und rinnt in schmalen Rinnsalen zu Boden. Ich stemme mich so schnell es geht durch die Dachluke nach draußen, als hinter mir mit einem infernalischen Donnern die Tür birst und ein Regen aus messerscharfen Holzsplittern durch die Luft prasselt. Es hat nicht viel gefehlt, und es wäre für mich zu spät gewesen.
    Das Dach ist steil an dieser Stelle. Ich hangle mich an einem Erkerfenster entlang nach oben auf den Giebel. Die Dachlandschaft des Hotels ist unübersichtlich, ein Labyrinth aus Vordächern, Erkern, Mäuerchen und Schornsteinen.
    »Kaaatiiie?« Meine Stimme reicht kaum aus, um das Knacken des Holzes, das Prasseln der Flammen und das seltsame Grummeln des Gemäuers zu übertönen.
    Ich stelle mich aufrecht auf den schmalen Giebel und versuche es noch einmal aus Leibeskräften: »KATIE!«
    »Jo?«
    »Katie! Wo bist du?«
    »Na, wo schon? Hier vorne.«
    Dann sehe ich sie. Sie steht auf einem winzigen Vorsprung an der Dachkante, während direkt vor ihren Füßen die Flammen aus den darunterliegenden Fenstern nach oben züngeln.
    »Ich komme zu dir. Halt dich fest. Und sieh nicht nach unten«, rufe ich ihr zu. Trotz meiner Situation muss ich schmunzeln. Ich erinnere mich an unseren Ausflug ins Tramuntana-Gebirge und an den Mirador , an dem wir angehalten haben. Eigentlich bin ich derjenige, der nicht schwindelfrei ist und der nicht nach unten sehen sollte, nicht sie.
    Inzwischen ist es Katie gelungen, die Aufmerksamkeit der Schaulustigen unten auf sich zu lenken. Aber anstatt dass sie die Feuerwehrleute holen, zeigen sie aufgeregt nach oben und rufen dabei: »Aus-ziehen! Aus-ziehen!«
    Ach, ihr Ballermänner. Wäre ich nicht gerade in Lebensgefahr, ich würde euch am liebsten alle in den Arm nehmen.
    Katie sieht die Sache anders. »Ihr seid ja wohl total bescheuert! Sagt gefälligst der Feuerwehr Bescheid!«, schreit Katie hinunter.
    »Zeig uns mal die Möpse«, singt der Chor der Schaulustigen als Antwort.
    »Die Feuerwehr, ihr Idioten!«
    »Spring doch, Süße. Wir fangen dich.«
    Ich lasse mich vorsichtig auf die Dachschindeln nieder, um zu Katie hinunterzugleiten. Kein leichtes Unterfangen, denn wenn ich zu viel Schwung bekomme, schieße ich nicht nur selbst über das Dach hinaus in die Tiefe, sondern reiße sie möglicherweise gleich mit mir.
    »Achtung, Katie - ich komme.«
    »Ich fange dich auf.«
    »Geh lieber aus dem Weg.«
    »Ich denke gar nicht dran.«
    »Musst du eigentlich immer widersprechen?«
    »Nur, wenn es nötig ist.«
    Ich schüttele ungläubig den Kopf. Aber was soll’s. Das Thema lässt sich später noch klären. Ich rutsche vorsichtig nach unten, versuche dabei, mich mit dem ganzen Körper abzubremsen. Es gelingt mir kaum, zumal der Stoff des Schutzanzuges beschichtet ist, und so werde ich immer schneller.
    »Achtung, Katie. Geh zur Seite. Ich kann kaum bremsen.«
    »Sag mir bitte nicht, was ich tun soll!«
    »Vorsiiiiicht.«
    Sie verkantet ihre Füße in der Regenrinne und breitet die Arme aus, um mich aufzufangen. »Ich tue, was ich will. Merk dir das!«
    »Ich kooooooomme!«
    Und so lande ich genau in Katies Armen. Für einen Moment halten wir uns eng umschlungen, torkeln dabei gefährlich hin und her und drohen gemeinsam über den Rand des Vordachs hinauszutrudeln. Ein erschrockenes Raunen geht durch die Menge - bis wir uns schließlich fangen und erleichtert Luft holen.
    »Ist das deine Art, mich zu retten? Du bist ja fast gefährlicher als das Feuer!«, sagt Katie, während sie mich immer noch in ihren Armen hält.
    »Ist das deine Art, dich zu bedanken? Ich habe mein Leben riskiert, um dich zu finden.«
    »Ach! Jetzt auf einmal, ja? Typisch Mann. Ihr wisst einfach nicht, was ihr wollt.«
    »Wovon, bitte schön, redest du?«, frage ich.
    »Ich rede davon, dass du dich einfach im Morgengrauen davongestohlen und mich mitten in der Wildnis allein zurückgelassen hast.«
    »Ich habe in dem Moment geglaubt, es wäre das Beste für uns beide.«
    »Das Beste ? Weißt du, wie ich wach geworden bin? Davon, dass mir ein halbwilder Esel das Gesicht abgeschleckt hat. Im ersten Augenblick dachte ich ja noch, du wärst das - aber was meinst du, wie erschrocken ich war, als ich die Augen aufgemacht habe!«
    »Du
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