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Billigflieger

Titel: Billigflieger
Autoren: Philip Tamm
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Ruhe überkommt. So als wenn etwas, das mich lange Zeit gequält hat, auf einmal verschwunden ist. Etwas, das mir die Kehle zugeschnürt hat. Und jetzt kann ich endlich wieder atmen. Meine Gedanken, die gerade noch so schwer und verworren waren, sind auf einmal glasklar und messerscharf.
    Und daran ist Nina nicht ganz unschuldig. Weil sie Recht hat. Sie wollte mir nicht glauben, dass das hier - mein Verhalten - nichts mit uns zu tun hätte. Und ihr Zweifel ist berechtigt. Das hier hat nämlich sehr wohl etwas mit uns zu tun. Mit mir und mit ihr. Und mit Katie.
    Darum weiß ich, dass ich keine Zeit zu verlieren habe. »Geh mir aus dem Weg, Nina.«
    »Tue ich nicht.«
    »Zwing mich nicht, etwas zu tun, was ich nicht will.«
    »Ich bin doch nicht blöd, Jo. Ich weiß, dass wenn ich dich jetzt gehen lasse, ich dich nie wiederbekomme. Und das kann ich nicht zulassen.«
    »Falsch, Nina. Weil es ausnahmsweise gar nicht auf dich ankommt. Und nicht auf das, was du willst. Sondern nur auf mich.«
    Mit diesen Worten trete ich einen Schritt nach vorne und schiebe Nina zur Seite - sanft, aber bestimmt. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich und die Haut nimmt in etwa die Farbe der Flammen an.
    »Na gut, Jo. Du hast es nicht anders gewollt. Dann tu doch, was du willst. Dann geh doch da rein und kümmere dich um die kleine Schlampe, die dich mir weggenommen hat. Und weißt du, was ich dir wünsche? Dass ihr beide darin umkommt - verbrennen sollt ihr. Hörst du, Jo? Verbrennen!«
    Ja, so sind Frauen. Sie sind schlechte Verlierer. Aber wir Männer sind auch nicht besser. Von daher kann ich ihr nicht wirklich einen Vorwurf machen.
    Ich reiße mich von Nina los, die sich mit letzter Verzweiflung an mich geklammert hat - ungefähr wie ein Terrier, der sich in ein Hosenbein verbissen hat. Dass ich dabei auch noch die restlichen ihrer aufwendig zurechtgemachten Fingernägel abbreche und sie darum noch empörter als zuvor hinter mir herschreit, nehme ich nicht mehr zur Kenntnis.
    Etwas weiter hinten führt eine kleine Gasse zur Rückseite des Gebäudes. Auch hier sind die Fenster mit Brettern vernagelt. Im Vorbeigehen reiße ich so lange an den Bohlen, bis ich eine finde, die nur locker befestigt ist. Schröder und Hacki, die mir gefolgt sind, verstehen sofort, was ich vorhabe. Schröder setzt den Stiel der Axt als Hebel an, wir anderen fassen mit an - und zehn Sekunden später ist der Weg frei.
    Ich schlüpfe in aller Schnelle in den Schutzanzug, setze die Sauerstoffmaske auf und fühle mich augenblicklich wie Darth Vader.
    »Wünscht mir Glück, Jungs«, sage ich, auch wenn es unter der Maske kaum noch zu verstehen ist.
    »Alles Gute, Jo«, sagt Schröder. »So wie ich die Lage einschätze, hast du höchstens zehn Minuten. Danach wird der ganze Laden einstürzen. Versuch dich dann nach vorne durchzuarbeiten. Wir sprechen in der Zwischenzeit mit den spanischen Kollegen. Und Jo - sei nicht leichtsinnig.«
    »Doch, Jungs, genau das bin ich. Und es ist höchste Zeit dafür.«

51. Absprung
    Ich klettere durch die zersplitterte Scheibe in das Innere des Hotels und finde mich in einem Raum wieder, der vermutlich mal ein Lager für Lebensmittel war. Er steht zwar nicht in Flammen, aber die Luft ist von dichtem Qualm erfüllt. Ich kann höchstens zwei oder drei Meter weit sehen. Die Notbeleuchtung, die noch bei meinem ersten Besuch in den Räumen gebrannt hat, scheint ausgefallen zu sein. Schemenhaft erkenne ich eine Tür, zu der ich mich vorarbeite. Zum Glück lässt sie sich problemlos öffnen.
    Ich trete auf einen Korridor hinaus. Auch hier herrscht dichter Qualm. Unter einigen Türen züngeln kleinere Flammen hervor. Ich renne los, und zwar so schnell, wie der schwere Anzug es zulässt. Fieberhaft rufe ich mir ins Gedächtnis, was ich noch über den Grundriss des Hauses weiß. Ich biege um eine Ecke, folge einem weiteren Gang, biege erneut um die Ecke und stehe am Ende der großen Halle. Dichter Rauch erfüllt die Luft. Der Empfangstresen ist nur noch ein Haufen Asche.
    Ohne Sauerstoffgerät wäre ich nach weniger als einer Minute ohnmächtig. Sollte Katie also wirklich noch im Gebäude sein, würde sie höchstwahrscheinlich irgendwo besinnungslos liegen. Schon jetzt ist die Temperatur unerträglich. Die reinste Sauna. Schröders Schätzung mit den zehn Minuten war nicht übertrieben.
    Ich taste mich an der Wand bis zur großen Doppeltreppe vor, die in den ersten Stock führt. Auch hier stehen Vorhänge, Dekorationen und Teile des
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