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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch
Autoren: Hajo Schumacher
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ist es, das uns da treibt? Ehrgeiz? Verzweiflung? Wille? Neugier auf eine andere Dimension? Die Lust am einfachen, eindimensionalen Leben? Die Laufstrecke sei einer der wenigen Flecken auf dieser Erde, wo man sich nicht verstecken kann, sagt Bruce Denton in Once a Runner . »Du kannst nicht so tun, als ob.« Und das ist wohl das wahre Geheimnis des einsamen Bewegens: Man findet zu sich.

Du hast die Macht

    Das Fazit meines bislang ziemlich bewegten Lebens lautet: Mach, was du willst. Bewegen ist die Handschrift des Körpers. Jeder Mensch hat eine andere. Du allein weißt, was dir guttut. Du kannst versuchen, verwerfen, verändern. Du machst deine Gesetze. Du hast die Macht. Probier sie aus.

Finale: Wer kommt mit ins Heim?
    Finale:
    Wer kommt mit ins Heim ?

    Abb. h
    Seien wir ehrlich: Der Sportwahn ist eine einzige große Flucht vor dem Vergreisen. Fidele Senioren können mir hundertmal erzählen, wie toll das Alter ist, allein: Ich glaube es nicht. Na gut, der Gewinn an Gelassenheit ist tatsächlich ein Vorteil. Aber sonst? Schrecklich. Der Körper verfällt. Das Gedächtnis löst sich auf. Junge Menschen bieten mir in der U-Bahn ihren Sitzplatz an. Ich gucke in Speisekarten, was sich hinter dem Seniorenteller verbirgt.
    Setzt man pharmazeutische und chirurgische Krücken nur vorsichtig ein, bietet die Bewegung den einzigen würdigen Weg, mit dem Alter zurechtzukommen. Nehmen wir nur den Opa im Mommsen-Stadion. Er ist über achtzig, aber er tuckert tapfer seine Runden auf der Tartanbahn, seine Schritte signalisieren Entschlossenheit und Freude. Selbst die frechen jungen Athleten begegnen diesem Herrn mit Respekt. Der Senior bevorzugt Feinripp ärmellos. Niemand würde grinsen, käme er plötzlich mit einer scharfen Sonnenbrille daher.
    Wer sich bewegt, darf sich gewagt anziehen. Selbst schuld, wenn Senioren sich für ein Leben in Beige entscheiden.
    Ich habe einen Heidenrespekt vor Menschen wie Birgit Fischer. Achtmal hat sie Gold bei Olympia gewonnen. Über sechs Jahre hat sie mit den Wettkämpfen ausgesetzt. Aber mit fünfzig startete sie ein Comeback, ihr viertes übrigens. Sie wollte noch einmal zu Olympia, nach London. Die Ärzte haben es verboten. Mag sein, dass die Frau ein kleines bisschen verrückt ist. Vielleicht hätte sie krachend verloren, so wie Rocky Balboa in seinem letzten Film. Aber sie hätte Respekt gewonnen. Ähnlich unbekümmert stelle ich mir meine nächsten Jahrzehnte auch vor – Rekorde müssen nicht sein. Erleben ist Glück. Und Unabhängigkeit. Die Basis ist Bewegung.
    Es braucht viel Fantasie, sich die demografische Lage schön zureden. Die Wahrscheinlichkeit, dass meiner Generation groß zügige oder wenigstens menschenwürdige Pflege zuteilwird, liegt bei null. Und wenn schon: Die Seniorenwohnanlage mag noch so edel sein, im Grünen gelegen, mit Unterhaltungsangebot und Bridge-Runde – es ist dennoch die Hölle auf Erden.
    Menschen werden in ihren Rollstühlen ans Fenster, wahlweise vor den Fernseher geschoben, abwechselnd wird Essen, Trinken und Pharmazie serviert. Bei allem Respekt vor der Arbeit von Pflegerinnen und Pflegern: Ich möchte da nicht hin. So gut können die Drogen auch in zwanzig, dreißig Jahren nicht sein.
    Wer Sport treibe, der lebe nicht länger, sondern sterbe nur gesünder, so lautet der Standardspruch von Bewegungsfeinden. Stimmt. Und ist auch gut so. Wie wollen wir denn sterben? Möglichst schnell, schmerzlos, überraschend, ohne viel Siechtum, also gesund.
    Bewegungsarmut führt stracks in den Teufelskreis von Muskelschwund, noch weniger Bewegung, Antriebsschwäche, noch weniger Bewegung, Kreislauf- und Verdauungsproblemen, noch weniger Bewegung, Depression, gar keine Bewegung mehr, Bettlägerigkeit, Dämmerzustand. Stillstand des Körpers stoppt den Geist. Will ich nicht. Muss ja auch nicht sein. Er freue sich auf den Tod, weil dann endlich mal Ruhe herrsche, hat Iggy Pop gesagt. Da hat er recht. Aber um die Ruhe schätzen zu können, will ich lange unruhig sein dürfen.
    Ich habe einen Traum, und der geht so: Nehmen wir einen Gutshof in Brandenburg im Jahr 2034, den zwei Dutzend rüstiger Rentner genossenschaftlich bewirtschaften. Es gibt eine Radwerkstatt, eine lichte Gymnastikhalle in der Scheune, Basketballkörbe auf dem Hof, ein Tuning-Labor für Rollstühle und Rollatoren. Am nahen See liegen Segelboote, Kajaks, Kanus, Tretboote. Laufstrecken führen um den Hof. Manche Gäste kommen nur für ein Wochenende, andere leben hier dauerhaft. Unsere
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