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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch
Autoren: Hajo Schumacher
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Menschen knien und pumpen. Sie versuchten, einen kollabierten Läufer zu reanimieren.
    Am nächsten Tag wussten wir, was geschehen war: Der Läufer Werner Dörr brach vor der Ziellinie zusammen und war für einige Minuten klinisch tot. Er wurde zweimal reanimiert. Eine ganze Weile dachte ich, so etwas könnte mir nicht passieren. Ich bin mir da nicht mehr so sicher.

Lob der Unvernunft

    Dinge, die uns Genuss verschaffen, sind immer mit einem Problem behaftet.
    Robert Pfaller, Philosoph
    Robert Pfaller ist mein aktueller Lieblingsphilosoph. Der Mann ist politisch völlig unkorrekt: »Es wäre unvernünftig, immer vernünftig zu sein.« Pfaller plädiert für einen Perspektivwechsel. Statt des verbissenen Kampfes um totale Reinheit, wie er von Verbraucherschützern, Nichtraucher- oder Vegetariersekten geführt wird, rät Pfaller zu Toleranz. »Wir mäßigen uns maßlos«, so der Philosoph. »Die Leute werden dazu angehalten, ihr Leben als Sparguthaben zu betrachten.« Eifersüchtig achte man darauf, dass einem niemand etwas wegnehme, dass das Leben maximal verlängert werde durch noch mehr vernünftiges Verhalten. »Das ist eine Vorsicht gegenüber dem Leben, die das Leben selber tötet.«
    Kann ich bestätigen. Vernunft ist eine fürchterliche Geißel. Klar, ein Helm beim Radfahren, ein Mückenspray beim Paddeln in Schweden, das sollte sein. Aber Lust am Leben und Risikoscheu stehen sich manchmal im Weg. Wovon erzählen wir denn unseren Enkeln? Dass wir immer vernünftig waren? Oder davon, wie wir von einem Unwetter in den Bergen überrascht worden sind? Der Vorsichtige wäre erst gar nicht losgegangen.
    Ich bekenne mich zur Macht meiner Gefühle. Die stärksten heißen Lust und Unlust. Auch wenn ich mich oft über reflexartiges Handeln ärgere – was bleibt mir übrig, als meine Reflexe zu mögen?
    Zum Glück bin ich nicht allein. Ob Rolf Dobelli ( Die Kunst des klaren Denkens ), David Brooks ( Das soziale Tier ) oder Daniel Kahneman ( Schnelles Denken, langsames Denken ) – kluge Köpfe weisen ebenso unterhaltsam wie gut begründet nach, wie wenig der Mensch von seinem Wissen, seiner Vernunft tatsächlich Gebrauch macht.
    Finanzkrisen, politische Entscheidungen, Partnerwahl oder Gesundheit – fast immer sind wir Opfer von Gefühlen, von Reflexen, von Mythen. Bei aller Schlauheit des menschlichen Wesens ist am Ende die Fähigkeit nötig, über sich selbst und die eigene Irrationalität zu staunen und idealerweise zu lachen. Und dann »rausgehen und rennen«, wie die Marathon-Seniorin Gladys Burrill empfiehlt. Damit macht man selten was verkehrt.
    Motivationsexperten wissen: Ein Verhalten wird für mühelos gehalten, wenn es Lust bereitet, Vernunft hin oder her. Klimaschutz, Benzin sparen, Tempo, Bewegung – all diese wahnsinnig vernünftigen Argumente für das Fahrrad sind am Ende doch nur Kollateralnutzen. Lust am Radeln entsteht bei mir, wenn ich mich freue, morgens auf eine rassige, gut gestaltete, bequeme Karre zu steigen, die mir meine Wertschätzung für mich selbst beweist und den anderen Verkehrsteilnehmern zeigt: Hier hat einer Spaß an dem, was er tut, und meint es gleichwohl ernst.
    Bewegen ist so viel mehr als Trainieren. Bewegen ist keine hoch spezialisierte Einzeldisziplin, sondern ein Mehrkampf, für den ich mich täglich neu entscheide. Was macht mir wirklich Spaß, was treibt mich? Das Experiment. Der Mut, in der Mittagspause mit Neoprenanzug im Rucksack an den See zu radeln, um 20 Minuten zu schwimmen. Natürlich regnet es, der Sturm hat auch zugenommen. Aber ich habe es versucht. Vernunft? Nö. Eher das Risiko einer Lungenentzündung. Aber ich habe mich ausgetobt.

Der Vertrag

    So kriegen Sie Ihr Fett weg.
    Werbung für einen Haushaltsreiniger
    Fett ist eine feine Sache. Über zehntausende von Wintern rettete die glibberige Masse den Menschen vor dem Hunger- und Kältetod. Fett speichert jede überschüssige Kalorie für harte Zeiten. Die gibt es aber nicht mehr, in der Ära von Zentralheizung und Discounter. So wird unser Körper das Fett nicht mehr los. Weil wir gerade mal zwei, drei Prozent des täglichen Steinzeit-Marathons zurücklegen, zugleich aber ständig neue Energie lagern, wachsen unsere Speicher unentwegt. Möglichkeit eins: Askese. Nichts für mich. Möglichkeit zwei: mit der Plauze leben. Will ich auch nicht. Bleibt Möglichkeit drei: bewegen. Rotwein, Currywurst und Schokoröllchen müssen abgearbeitet werden, da hilft keine Diät.
    Nach mannigfachen Experimenten habe ich
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