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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen
Autoren: W Bartens
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euch wun dern, aber ich sage jetzt nichts. Trotzdem muss ich was Dringendes mit dir besprechen.«
    Wieder Pause, Pause, Pause.
    Es nervt. Wieder scheint Dorothee darauf zu warten, dass es Clara nicht mehr aushalten kann, die unerhörten Neuigkeiten zu erfahren. Nun komm schon, denkt Clara, und bevor sie sich so gewieft abwartend und geduldig vorkommen kann wie Robert Redford, platzt es von allein aus Dorothee heraus, Clara muss gar nicht nachhaken.
    »Du wirst es nicht fassen, aber stell dir nur vor: Klaus kommt nicht mit Tina. Er hat sie sitzen lassen. Einfach so, für eine andere. Von einem Tag auf den anderen.«
    »Gut, dass du uns das sagst«, heuchelt Clara.
    »Für eine Krankengymnastin. Einfach so. Und mit der will er jetzt kommen! Stell dir das vor.«
    So schwer findet Clara die Vorstellung gar nicht, dass Klaus seine Frau sitzen gelassen hat. »Ich konnte mit Tina eh nie so viel anfangen, von mir aus soll er die Neue ruhig mitbringen.«
    »Klar, das ist wohl so eine total Durchtrainierte und Schlanke, hat einen Superbody. Ist ja auch kein Wunder bei dem Beruf. Aber dafür gleich alles aufgeben – den Mann, die Familie, einfach alles? Ich fasse es nicht.« Dann macht Dorothee nur eine kurze Pause. »Ich wäre froh, wenn ich einen Mann hätte!«
    Clara nickt müde. Sie will sich jetzt nicht mehr auf die Erwägungen von Dorothee einlassen, die seit Jahren chronisch auf der Suche ist und darüber die meisten anderen Dinge im Leben vergessen oder verdrängt hat. Sie will auch nicht mit ihr gemeinsam überlegen, was Klaus an seiner Neuen attraktiv gefunden haben könnte und warum es mit Tina nicht mehr ging und welcher Mann für Dorothee vielleicht doch noch infrage käme, wenn man alle Idioten, alle noch nicht Erwachsenen und alle Triebgesteuerten abzieht, also den Großteil der männlichen Menschheit ausschließt.
    »Danke, dass du angerufen hast – uns ist klar, dass es bis kurz vor dem Fest immer noch Absagen geben kann«, sagt Clara.
    »Dann sag es bitte auch Alex, hörst du. Ich will euch wenigstens auf dem Laufenden halten. Wo ist der eigentlich?«
    »Unterwegs, auf Vortragsreise. Er erzählt mal wieder was über seine Affen.«

Party machen
    Nach meinem Vortrag über die Kuschelsucht der Bonobos, ihre Hippiepraktiken der freien Liebe und die sexuellen Hierarchien der Paviane stehe ich noch auf dieser Party herum, und plötzlich ist sie da. Nicht die Frau von gestern Nachmittag aus dem Thermalbecken, sondern: sie. Sie ist sehr, sehr jung. Sehr, sehr melancholisch attraktiv und langhaarig schön. Helles Haar, eng stehende Augen, die intensiv wasserblau leuchten. Es ist schon spät, halb drei Uhr morgens vielleicht. Erstaunlich, was in die sem Kurort abgeht. Eigentlich bin ich sehr, sehr müde und will längst gehen. Ich habe bereits die Jacke geholt und über den Arm gelegt. Ein kurzer Blick, ein Nicken, dann ein langer Blick.
    Ich stehe, schaue sie an. Sie schaut. Ich bleibe. Ich will etwas sagen, aber es geht mir wie Obelix, als der zum ersten Mal die wunderschöne Falbala sieht und nur ein paar Krächzlaute und Konsonanten herausbringt. Ich räuspere mich kurz und bin still – aber irgendwie geht es dann doch. Erst holt sie zwei Bier, dann hole ich zwei, dann weiß ich, dass ich später nicht mehr wissen werde, was wir noch alles durcheinandergetrunken haben.
    Eigentlich kann ich nicht mehr. Neue Damenbekanntschaften sind mittlerweile vor allem eine Frage der Kondition für mich. Man muss durchhalten, auch wenn man ahnt, was kommt. Dabei müsste ich jetzt nur ein wenig länger ausharren und ihr das unbändige Gefühl der Grenzenlosigkeit geben. Offener Horizont, keine Ziele, keine Verpflichtungen. Einfach nur: zwei Menschen, wir, sonst nichts. Goldstaub im Orbit könnten wir sein, ein Funken nur, aber doch ein kurzes Aufglühen in der Ewigkeit.
    Dass in diesem Moment alles egal ist und leicht, müsste sie auch spüren. Ich könnte ihr vorschlagen, dass wir noch in einen Club gehen, im Parkteich mit den Enten um die Wette kraulen oder genauso gut mit dem Cabrio nach Warschau fahren könnten oder gleich zu ihr oder zu mir oder auch bis zum Morgen warten, um dann den goldenen Asphalt der Morgendämmerung zu küssen.
    Ihre Freundin fragt mich in diesem Moment, ob ich Feminist bin, was mich an diesem Abend eindeutig überfordert. Die Freundin findet die Gleichberechtigung auf dem richtigen Wege, nur mit der Reproduktion gebe es noch ein ziemliches Ungleichgewicht zwischen den Ge schlechtern. Die Freundin
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