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Betoerendes Trugbild

Betoerendes Trugbild

Titel: Betoerendes Trugbild
Autoren: Natalie Rabengut
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Bex
    Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte sie Türen klappern, Gespräche im Flur und ähnliche Geräusche, die bezeugten, dass die meisten Gäste langsam aber sicher aufwachten. Jetzt musste sie nur noch den passenden Augenblick abwarten. Sie hatte gerade entschieden, dass es Zeit für einen Kaffee in der Küche war und ihr Zimmer verlassen, da hörte sie Scotts Stimme durch eines der geöffneten Fenster im Flur und spähte hinaus.
    Zum ersten Mal klang er wütend – sehr wütend. Er bellte in sein Handy und warf Zachary die Schlüssel seines Jaguars zu. Mit einem wachsenden Glücksgefühl in der Magengegend beobachtete Sam die Männer. Sie konnte leider nicht verstehen, was Scott sagte, aber an seiner Körperhaltung konnte sie ablesen, dass er ungehalten war. Selbst von hier oben erkannte sie die pochende Ader auf seiner Stirn – so hatte sie ihn noch nie gesehen. Zachary startete den Motor und Scott stieg ein. Das Sonnenlicht spiegelte sich in der Windschutzscheibe und Sam erkannte ihre Chance.
    Sofort machte sie sich auf den Weg zu dem Teil des Hauses, in dem sie Zachs Zimmer vermutete. So eine Chance würde sich ihr so schnell nicht wieder bieten, beide Brüder waren ausgeflogen – dafür musste selbst ihr Kaffee warten.
    Endorphine rauschten durch ihre Blutbahn und erfüllte sie mit dem wohl bekannten Hochgefühl. Sie war auf der richtigen Spur, das wusste sie genau!
    Vor der Tür zu dem abgelegenen Flügel atmete sie tief durch. Sicherheitshalber warf sie einen Blick über die Schulter, dann schlossen ihre Finger sich um den Türknauf. Beinahe hätte sie aufgejubelt, als sie das vertraute Klicken hörte – nicht abgeschlossen!
    Dieser Flügel war anders eingerichtet als der Rest der Villa. Dunkler Teppichboden schluckte jedes Geräusch, Sams Füße sanken in dem weichen Material ein. Die Wand war zur Hälfte mit weißen Holz getäfelt, der Rest war weiß gestrichen. Schwarze Rahmen zeigten Frauenporträts, doch es waren keine hübschen Aufnahmen. Irgendetwas stimmte nicht mit den Frauen, die großteils nicht in die Kamera sahen. Doch Sam hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Sie musste die Gelegenheit nutzen.
    Die erste Tür war abgeschlossen, die zweite jedoch nicht und sie führte direkt ins Zacharys Schlafzimmer. Samantha trat hinein und ließ ihren Blick über die wuchtigen schwarzen Möbel gleiten. Das überdimensionierte Bett beherrschte den Raum, unter der Decke befand sich – genau über dem besagten Bett – ein großer Spiegel. Sie verdrehte die Augen, dann stockte ihr der Atem.
    Über dem Kopfteil hing es, ihr Objekt der Begierde: Das Original der Madame Récamier. Gebannt betrachtete Sam es und hielt dabei unwillkürlich die Luft an. Es war so wunderschön, dass sie es ewig bewundern hätte können.
    Zwei Herzschläge später stand sie auf dem Bett und hob den Rahmen von der Wand. Sie würde es riskieren und die Leinwand direkt mitnehmen, sie sicher in ihrem Zimmer deponieren und mit ihrer eigenen Fälschung zurückkehren, diese rahmen und alles so hinterlassen, wie sie es vorgefunden hatte. Dafür benötigte sie nur ein paar Minuten.
    Mit geübten Handgriffen und der nötigen Ehrfurcht rollte sie das Bild ein. Sie presste es an ihre Brust und murmelte ein kurzes Stoßgebet. Den Weg in ihr Zimmer rannte sie förmlich.
    Unter dem Bett lag ihr Koffer, sie zerrte ihn hervor und kippte den Inhalt achtlos auf den Boden. Das doppelte Fach war genau so groß, dass das ausgebreitete Gemälde perfekt hineinpasste. Die Fälschung rollte sie ein und nahm den Tacker, mit dem sie es gleich befestigen würde. Ihr Betrug würde auf keinen Fall auffallen, bis sie weg war, da würden ein paar Heftklammern reichen.
    Nachdem sie sich ein zweites Mal vergewissert hatte, dass das Sicherheitsfach geschlossen war, warf sie ihre Sachen wieder in den Koffer und schob ihn zurück unters Bett.
    Glücklicherweise begegnete ihr niemand auf dem Weg zu Zacharys Zimmer. Das Geräusch des Tackers hallte durch den Raum, doch sie musste die Fälschung ordentlich befestigen.
    Samantha trat einen Schritt zurück und betrachtete den Rahmen, das Bild hing gerade und genau wie zuvor an seinem Platz, nahezu unberührt. Behände sprang sie vom Bett. Um keine unnötig verräterischen Spuren zurückzulassen, strich sie die Bettdecke glatt und wollte das Zimmer verlassen.
    Ihr Herz setzte beinahe aus, als sie die Geräusche im Flur hörte. Jemand kam näher – und zwar schnell. Sie fluchte leise und wirbelte herum. In diesem
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