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Bestialisch

Titel: Bestialisch
Autoren: J.A. Kerley
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etwas immer verdächtig wirkt und einem als Unehrlichkeit ausgelegt werden kann. Also kratzte ich mich schnell am Knöchel und tat so, als wäre der Blick nach unten zielgerichtet gewesen.
    »Ich tappe im Dunkeln. Genau wie Sie, Shelly.«
    »Und Sie können sich nicht vorstellen, was ihr leidgetan hat? Oder was es mit diesem seriösen Etwas auf sich hat, das sie brauchte?«
    Diesmal konnte ich ihm in die Augen schauen. »Auf all das kann ich mir keinen Reim machen.«
    »Wie ist Ihr Werdegang, Detective Ryder … wenn ich das fragen darf?«
    »Ich bin seit acht Jahren bei der Polizei, fünf davon bei der Mordkommission. Einen Monat lang habe ich an der FBI Behavioral Division studiert. Außerdem gehöre ich einer Sondereinheit an, die sich PSET nennt: Psycho- und Soziopathologisches Ermittlungsteam.«
    »Klingt eindrucksvoll.«
    »Ja, die Bezeichnung macht viel her, doch die Einheit, die von allen Piss-it genannt wird, besteht nur aus mir und meinem Partner Harry Nautilus. Wir werden schätzungsweise fünfmal pro Jahr gerufen. In den meisten Fällen handelt es sich um falschen Alarm, aber wenn wir die Ärmel hochkrempeln müssen, ist unsere Aufklärungsrate ganz ordentlich.«
    »Wie hoch liegt sie?«
    »Bei hundert Prozent. Trotzdem … wie meinte Ihr widerborstiger Lieutenant so treffend: Das hier ist New York. Sie müssen sich hier jeden Tag mit mehr Irren herumschlagen als die Polizei von Mobile in einem ganzen Jahr.«
    Waltz schwenkte den Eistee in seinem Glas. »Dr. Prowse zufolge besitzen Sie eine ganz besondere Gabe, die sich bei Irren als Vorteil erweist. Sie nannte es eine gespenstische Gabe. Was hat es damit auf sich?«
    Mit der Gabel spießte ich ein Blatt Römersalat auf. Da ich nicht lügen wollte, aber auch nicht mit der Wahrheit herausrücken konnte, bewegte ich mich auf dünnem Eis.
    »Mein Hauptfach auf der Uni war Psychologie, Shelly. Ich habe mit weggesperrten Psycho- und Soziopathen Interviews geführt. Dr. Prowse war der Ansicht, ich hätte einen Draht zu ihnen und könnte sie dazu bewegen, aus der Deckung zu kommen. Das ist wahrscheinlich die Gabe, von der sie gesprochen hat.«
    Ich spürte, dass Waltz sich fragte, ob ich ihm die ganze Geschichte erzählt hatte, doch er wechselte das Thema. »Da ich noch nicht gewillt bin, auf Ihre Hilfe zu verzichten, habe ich mich an die gewandt, die etwas zu sagen haben, und sie überredet, dass Sie uns noch ein paar Tage unterstützen dürfen. Man kann ja nie wissen.«
    Dass Waltz, ohne zu zögern, seine direkte Vorgesetzte überging, wunderte mich. »Klingt ganz so, als hätten Sie sich nicht an Lieutenant Folger, sondern an eine höhere Stelle gewandt.«
    »Stimmt. Ich möchte jedoch anmerken, dass das weder als Kritik an ihrer Person noch an ihrer Qualifikation gemeint ist. Meines Erachtens ist sie mit ein paar Aspekten ihres Lebens unzufrieden, was sie manchmal etwas reizbar macht. Auf der anderen Seite ist der Lieutenant mit einem extrem analytischen Verstand gesegnet. Und falls man den Prophezeiungen trauen darf, landet sie irgendwann noch ganz oben.«
    »Für ihr Alter besitzt sie ziemlich viel Autorität.«
    »Folger ist zweiunddreißig und nimmt auf der Karriereleiter immer drei Stufen auf einmal. Nach ihrem Abschluss in Strafjustiz – sie war Klassenbeste und hat die höchsten Auszeichnungen erhalten – fing sie in Brooklyn als Streifenpolizistin an. Da hat sie ihren Verstand genutzt, Verbrechensmuster analysiert und realistische Lösungen vorgeschlagen, was Aufmerksamkeit erregte. Eine Weile lang hat sie undercover ermittelt, verdeckte Ermittlungen geleitet, Drogendealer gegeneinander ausgespielt und eine Hehlerorganisation auffliegen lassen, die landesweit operierte …«
    »Dann war sie also alles andere als eine gewöhnliche Streifenpolizistin.« Auf einmal sah ich gewisse Parallelen zwischen mir und Alice Folger. Mein Aufstieg begann, als ich – noch in Uniform – ein bedeutendes Verbrechen aufklärte.
    Waltz nickte. »Es hatte fast den Anschein, als müsste sie allen beweisen, wie kompetent sie war. Ein paar einflussreiche Leute sind auf sie aufmerksam geworden und haben sie an die hohen Tiere in One Police Plaza, dem Polizeipräsidium, weiterempfohlen. Dort hörte man auf ihre Förderer, beschleunigte ihren Aufstieg und schickte sie probeweise zu uns. Wir sind ein großes Revier, und unsere Ermittlungsteams kümmern sich um alles, angefangen von geisteskranken Stadtstreichern bis hin zu mordlüsternen Börsenmaklern. Also genau der
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