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Bestialisch

Titel: Bestialisch
Autoren: J.A. Kerley
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zweifelt kaum einer der Polizisten daran, dass Day dafür verantwortlich war.«
    »Day muss doch einen oder mehrere Zöglinge gehabt haben, oder nicht?«
    »Vor drei Jahren hat man an der kanadischen Grenze die Leichen von zwei jungen Männern gefunden. Der eine war dreiundzwanzig, der andere zwei Jahre jünger. Sie wurden schwer misshandelt. Hinweise auf den Täter gab es nicht.«
    »Ob die Untergebenen rebelliert haben?«, überlegte Harry. »Oder hatten die Jungs die Nase voll von ihrem Daddy? Vielleicht war es auch umgekehrt.«
    Ich zuckte mit den Achseln und nahm den letzten Schluck Bier aus der Flasche. »Wer weiß?«
    Ich blickte auf den Golf von Mexiko hinaus, dieses glitzernde kobaltblaue Laken. Wer weiß schon, was in einem Monster wie Jim Day vorgeht? Nur einer Sache konnten wir uns sicher sein: Day war nicht als Monster auf die Welt gekommen. Seine Mutter und seine Großmutter hatten ihn dazu gemacht. Doch wer oder was hatte sie zum Monster werden lassen? Wie lange ging das schon so … seit Generationen? Seit Jahrhunderten?
    »Cargyle und der andere Bursche waren wohl Days neue Armee, was?«, meinte Harry.
    »Es gab noch drei weitere Knaben, die Day ausbildeten. Man geht davon aus, dass es sogar noch ein paar mehr waren. Dieses Erziehungslager war genau das Richtige für ihn. Der Junge, den Jeremy in der Lobby entdeckt hat, Billy Hoople, ist erst neunzehn und noch nicht so weit wie Cargyle.«
    »Cargyle war der Typ, der dieser Anderson über den Weg gelaufen ist? Ihr Happy End?«
    »Als sie erfuhr, dass einer ihrer ehemaligen Schützlinge beim Technischen Dienst des NYPD arbeitet, hat sie das über alle Maßen gefreut. Und die Begegnung hat ihr Schicksal besiegelt, denn Cargyle hat Day davon erzählt. Cargyle wurde nach einer grauenvollen Kindheit der Obhut des Jugendamtes in Newark unterstellt. Nachdem die Familie nach New York gezogen war, schloss sich Cargyle als Teenager einer Jugendgang an und landete im Bridges. Da der Bursche einen IQ von 135 hatte, kam er vor vier Jahren zur Rehabilitation ins Camp Wilderness, wo Day schon auf ihn wartete.«
    »Und was war mit dem anderen Opfer?«
    »Angela Bernal hat sich mit Cargyle angefreundet, als er in der Jugendstrafanstalt war. Sie wollte ihn ein bisschen bemuttern, und weil sie Anteil an seinem Schicksal nahm, musste sie sterben. Day brauchte noch einen verstümmelten Leichnam, um die Suche nach Jeremy anzuheizen. Wie Anderson diente auch Bernal gleich zwei Zielen.«
    Die Verandatür ging auf, und eine barfüßige Folger gesellte sich zu uns. Sie trug eine Küchenschürze, Shorts und ein Trägerhemdehen und hatte in jeder Hand ein Bier. Alice war für drei Wochen vom Dienst beurlaubt. Die ersten sieben Tage verbrachte sie bei mir, um sich vor Ort ein Bild vom Wetter an der Golfküste zu machen. Von der hiesigen Witterung war sie ganz angetan.
    In welchen Bahnen ihr Leben neuerdings verlief, gefiel ihr auch. Endlich wusste sie, woher sie kam, wer sie war und wie sich Evangelines Vergangenheit auf ihre Zukunft auswirkte. Sie versuchte immer noch zu begreifen, warum diese Mutter, die sie nicht kannte, ihr Leben geopfert hatte, damit Alice eine Zukunft vergönnt war. Und dass ihr leiblicher Vater all die Jahre ihr Kollege gewesen war, sie inspiriert, angefeuert und gefördert hatte – wie ein Vater eben.
    Manchmal versetzt mich der Lauf des Lebens wahrlich ins Staunen.
    Und Shelly? Auch sein Leben hatte sich verändert und war reicher geworden. Selbstverständlich würde er immer um seine große Liebe trauern, doch nun freute er sich darüber, eine Tochter zu haben. Und wenn er lachte – was jetzt häufig vorkam –, dann tat er das von ganzem Herzen.
    Alice und ich waren übereingekommen, dass es zu diesem Zeitpunkt alles andere als hilfreich war, wenn ich meine wahre Beziehung zu Jeremy offenlegte. Und ich war heilfroh, mich nicht in endlosen Erklärungen ergehen zu müssen.
    »Warum macht ihr denn so lange Gesichter?«, fragte Alice und reichte Harry und mir den Nachschub. »Oder liegt es womöglich an mir?«
    Harry grinste. »Wir haben gerade über Jim Day gesprochen, Ms Folger, und das Kapitel abgeschlossen. Höchste Zeit, sich mit angenehmeren Dingen zu beschäftigen. Was gibt es denn zum Abendbrot?«
    »Nennen Sie mich bitte Alice. Und was das Abendessen anbelangt, habe ich mich auf meine weiblichen Tugenden besonnen und ein Gumbo aus Fisch und Meeresfrüchten gemacht. Es stört doch hoffentlich niemanden, dass der Thunfisch aus der Dose kommt,
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