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Besser

Besser

Titel: Besser
Autoren: Doris Knecht
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während wir im Esszimmer dinieren, das macht mich jedes Mal unrund. Dieses hochherrschaftliche Getue. Die sind sonst ja wirklich okay, die Millers, nur im Umgang mit Personal kommt denen immer so was Snobistisches durch, das mich anwidert. Ich werde jedes Mal giftig davon, kann aber nichts sagen, ist ja deren Haus, ich werde höchstens schnippisch, und die wissen dann nicht, wie ihnen geschieht. Adam weiß, woran es liegt. Ich muss diesem Ethik-Kerl schreiben, mich beschäftigt das. Ich muss ihn fragen, ob man beim nächsten Mal, zumindest bei uns im Haus, etwas sagen darf oder soll oder nicht: Bitte lasst euer Kindermädchen daheim oder sagt es uns zumindest vorher, wenn ihr sie mitbringt, und dann isst sie mit uns am Tisch.
    Nur … Es ist akut natürlich gar nicht unangenehm, dass das Kindermädchen jetzt hier ist und sich mit den Kindern beschäftigt, auch unseren. Es ist doch deutlich weniger Herumgepatze. Und Geschrei. Und Gestreite. Und Geweine. Und Meinsmeinsmeins!-Gebrüll. Und Vomtischaufspringenmüssen, weil aus der Toilette ein «feaaartiiig!» erschallt. Adam hat mich bereits angestupst: Siehst du? Er findet das natürlich gut. Adam wollte immer, dass wir uns eine Nanny nehmen. Er hatte ja auch immer eine. Aber ich will das nicht. Ich finde eine Nanny irgendwie unsportlich. Ich wusste als Kind nicht mal, was das ist, ein Kindermädchen, beziehungsweise, dass es so was auch bei uns gibt, ich dachte, das gibt es nur in amerikanischen Filmen, und dort auch nur für reiche Waisen- oder Halbwaisen-Kinder, Trapp-Familien und so. Ich möchte das nicht. Außerdem ist das eine fremde Person im Haus, das habe ich nicht gern. Denn erst mal ist sie fremd, und ich fühle mich in ihrer Gegenwart unwohl und beobachtet und durchschaut, solche durchschauen mich immer, sie werfen mir Blicke zu, auch das Kindermädchen von den Millers hat mir heute wieder so einen Blick zugeworfen. Und dann hätte ich ständig das Gefühl, ich darf in meiner eigenen Wohnung nicht so sein, wie ich bin und sein will. So wütend oder so traurig oder so ausgelassen oder so bekifft oder so nackt. Nicht, dass ich mich dauernd so ausleben würde, aber ich könnte, und ich könnte nicht mehr mit einer Nanny im Haus. Mit einer Fremden. Und sobald sie mir nicht mehr fremd wäre und ich sie mögen würde, könnte ich ihr nicht mehr sagen, was sie zu tun hat, da bekäme ich ein schlechtes Gewissen. Adam sagt immer, du solltest das lernen, zu delegieren, zumal, wenn du dafür bezahlst, du musst das lernen. Muss ich eben nicht, wenn ich mir nämlich keine Nanny nehme, nicht bezahlen, nicht lernen, nicht delegieren. Außerdem habe ich Astrid. Astrid liebt die Kinder, Astrid hätte selbst so gern Kinder gehabt, sie nimmt die Kinder oder kommt, wann immer ich sie anrufe. Und wenn sie nicht kann, dann kommt Alenka, die ohnehin jede Woche bei uns sauber macht, für ein paar Stunden mit Adile hoch, schaut auf die Kinder und bügelt dazu Adams Hemden, was mir recht ist, weil ich Bügeln hasse, obwohl es mir eigentlich nicht recht ist, jetzt quasi moralisch gesehen. Alenka ist nett und jung, sie kam mit nichts aus Polen hierher, sie traf Mirkan, der auch mit nichts hierhergekommen war, sie zogen zusammen, jetzt haben sie das Baby, Alenka kann das Geld gut brauchen. Und ich gebe es ihr gern, aber ich habe auch jedes Mal ein komisches Gefühl dabei. Nicht direkt ein schlechtes Gewissen, aber ich fühl mich … komisch. Falsch. Vielleicht, weil ich weiß, was es heißt, sich Geld so zu verdienen wie Alenka und Mirkan. Und weil ich es jetzt nicht mehr muss. Weil ich jetzt was Besseres bin, irgendwie. Und weil das nicht mein Verdienst ist, sondern Adams. Und Adam, klar, Adam ist das einfach gewohnt, dass man Leute bezahlt und ihnen sagt, was sie zu tun haben, all die Dinge, die man selber nicht tun oder lernen möchte, er ist so aufgewachsen, er kann sich das gar nicht anders vorstellen. Aber ich mag das nicht und kann das nicht, lieber mach ich alles selber, jetzt mal abgesehen davon, dass Alenka einmal die Woche saubermacht. Aber auf die Kinder schau ich selber. Haben ja eh den Kindergarten. Ich will keine Nanny. Und bist dafür am Abend kaputt und grantig, sagt Adam. Und bin am Abend grantig, ja. Manchmal. Und manchmal auch nicht, wenn es ein Tag wie heute war.

[zur Inhaltsübersicht]
    Zwei
    «Was ist denn zwischen den Fricks und den Mosers?»
    «Du hast die Kuh beschützt, das verzeihe ich dir nie.»
    «Ich wollte nicht, dass der Moser am Tisch auf sie
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