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Besser

Besser

Titel: Besser
Autoren: Doris Knecht
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aufgesprüht, jedes Futzelchen Schmutz nach Plan aufgemalt, alles Trompe-l’Œil.
    «Die linken und liberalen Parteien müssen auf den Rechtsruck doch reagieren. Und wie, wenn nicht so?», sagt sie jetzt. Meine Güte. Ich könnte ihr erklären, was ich davon halte und warum das totaler Quatsch ist, was sie da erzählt, aber es ist mir zu blöd. Sie ist mir zu blöd. Schade, dass Moritz nicht da ist, der hätte dem Spuk schon ein Ende bereitet. Aber Moritz ist ja heute krank. Irgendwas mit dem Magen. Sagt er.
    «Eben», sagt Sven.
    «Es hat ja keinen Sinn», sagt die von Pfitzendingshausen, «mit linken Idealen und überholten sozialen Ideen an den Menschen vorbeizuregieren und sie damit als Wähler letztendlich zu verstoßen, da gebe ich Sven ganz recht.»
    Sven strahlt: Habt ihr das gehört, habt ihr das alle gehört? Die zu Pfitzenfotzner hat mir recht gegeben, seht ihr?, sie hält zu mir, sie liebt mich, diese großartige, schöne Frau von edlem Blute liebt mich! Der Narr. Er kapiert nicht, dass das nichts anderes war als die Belohnung dafür, dass er Adams Essen fast vollständig entsagt hat, dass es ihr gelungen ist, ihn seinem besten Freund zu entfremden, kulinarisch und nun auch politisch, dass Sven jetzt superdepperte Meinungen vertritt, von seinem üblichen, eher konservativen Standpunkt jetzt plötzlich zum Reaktionären schielt, und dass er unsere Vorspeisen mit einem verlegenen und gleichzeitig gierigen Grinsen verschmäht und seit zehn Minuten winzigste Stückchen von einer fast durchsichtigen Scheibe Lammbraten heruntersäbelt, nicht so viel, nicht so viel! Der Lammbraten ist, by the way, überraschend fantastisch geworden: zart, rosa, saftig, rosmarinig. Und die Schnur hat gehalten. Das Kartoffelpüree kommt vielleicht eine Ahnung zu fest und trocken daher, aber sonst alles picobello. Hätt’s nicht besser machen können. Adam ist zufrieden mit sich, er genießt es gerade, man sieht es ihm an. Er lehnt glücklich in seinem Sessel, die Ärmel seines hellblau karierten Hemdes aufgekrempelt, die Backen rot und ein bisschen schweißig glänzend unter dem graugesprenkelten Bart, seine Glatze über den übrig gebliebenen, penibel rasierten Seitenhaaren leuchtet. Ich schaue ihm zu (und spüre, wie der Miller mir dabei zuschaut), wie er dem Moser (der Miller steht jetzt von seinem Stuhl auf und geht aufs Klo) zuschaut, wie der die Riesenportion reinhaut, die er sich hat auflegen lassen, ruhig noch ein bisschen mehr, gerne, und Svens Vollversagen als Gast wettmacht – und ihn nicht ohne Absicht ein bisschen demütigt. Der Moser verträgt es nicht, wenn man Essen verschmäht, und ich schaue Adam zu, wie er das sichtbar gut findet. Ich lächle zu ihm hinüber. Er ist ein toller Mann. Es hat nichts mit ihm zu tun.

    «Doch ein Glas Wein, Feli?» Sie hat irgendwann erwähnt, ein, zwei oder vielleicht sogar drei Mal, dass es ihr (Bühnenschauspielerinnen heißen nun mal nicht Feli und adelige schon gar nicht) lieber wäre, Felizitas genannt zu werden, und während ich ihr, sie hat den Wein abgelehnt, Wasser nachschenke, registriere ich, dass es sie nervt. Okay. Geht doch. Ich würde die Frau im Leben nicht einladen, aber man kriegt Sven nicht mehr ohne sie, und Adam braucht Sven, auch bei solchen Familienanlässen. Speziell bei solchen Familienanlässen: Sven gibt Adam das Gefühl, nicht völlig vervatert und bekindert zu sein. Sven ist sein Beweis dafür, dass er noch am Leben ist, trotz mir und den Kindern. Dass sein altes Leben noch da ist, auf Standby, und praktisch jederzeit wieder eingeschaltet und aufgenommen werden könnte: Adam Pollak, der wilde Hund. Nicht dass ich glaube, dass Adam je ein wilder Hund gewesen wäre, jetzt außer im Sinne von Harley-Davidson-wild, und das ist ja wie Metallica unplugged, Metal, aber bitte ohne das Gefährliche, Wilde, Stinkende daran, und die Haare bitte gewaschen und gekämmt. Zudem ist Sven, seit er mit dieser Frau zusammen ist, im Handumdrehen zehnmal spießiger geworden als Adam je sein kann; so radikal wie Sven das in den letzten acht Monaten hingekriegt hat, kann Adam in vier Leben nicht verspießern, selbst wenn wir noch vier Kinder kriegen. Und natürlich hat er sich den Anker in sein früheres, echtes Leben aufgehoben. Der parkt zwei Gassen weiter in einer sauteuren, bewachten Garage und wird jeweils dann ausgefahren, wenn wir wirklich schlimmen Krach haben. Die Harley, das Spießermotorrad, über das ich mich gern lustig mache … Aber wenn Adam, was zum Glück
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