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Besser

Besser

Titel: Besser
Autoren: Doris Knecht
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haben sich, so erzählt es seine Mutter, bei irgendeiner beruflichen Sache getroffen, sind zusammengeknallt und kamen fünf Tage nicht aus dem Bett. Am sechsten soll es zu einem Heiratsantrag und seiner feierlichen Akzeptanz gekommen sein. Am siebten zum ersten Konflikt. Einem ernsten, seither immerwährenden Konflikt, denn am achten Tag soll er wieder bei Sissi vor der Tür gestanden haben. Die knallte ihm diese Tür vor der Nase wieder zu und ließ ihn noch zwei oder drei Wochen bei Sven schmoren, dann durfte er auf Bewährung heim. Er soll jahrelang nicht mehr mit der Strasser gesprochen haben, aber nicht, weil es die Sissi so verlangt hatte, sondern aus eigenem Bedürfnis. Das mit der Strasser war wohl traumatisch, auch wenn wir sie jetzt hin und wieder bei Freunden treffen und Adam zwischenzeitlich in der Lage ist, mit ihr so etwas wie Smalltalk zu machen. Er hat mir nie erzählt, was am siebten Tag passiert war.
    «Zwei Wochen in einem Haus mit der Strasser! Allein ihre Stimme schlägt einen ja sofort in die Flucht!» Offenbar wurde während der Liaison nicht viel geredet. Aber, gut, das kennt man ja. Ich kenne das ja.
    «Wegen zwei Wochen?», sagt der Moser. «Da bin ich aber völlig gelassen. Komplett unbesorgt. Zwei Wochen halte ich es mit jedem in einem Haus aus.»
    «Ach so?», sagt Adam.
    «Definitiv», sagt der Moser. «Zwei Wochen vertrag ich mich mit wurscht wem. Zwei kleine Wochen», sagt der Moser, und schüttet sein Glas in einem radikalen Zug hinunter, «zwei Wochen vertrag ich mich sogar mit Hitler. Gemeinsam in einem Zimmer.»
    «Hahaha», sagt Adam.
    «Aber Hitler sich vielleicht mit dir nicht», sagt die Millerin.
    «Speziell, wenn du ihm jeden Tag einen Berg Wiener Schnitzel brätst», sage ich.
    «Am achten Tag bettelt er auf Knien um teutsches Kemüse», sagt der Miller, der vom Klo zurück ist.
    «Aber der Moser kennt keine Knade», sagt Sven.
    «Also, ich finde, dieses Gespräch geht in eine sehr merkwürdige Richtung», sagt Felizitas.

    Die Kinder sind längst in ihrem Zimmer verschwunden, mit dem Kindermädchen der Millers. Ich mag die Millers, aber ich finde es total affig, dass die immer ihre Nanny mitbringen, völlig selbstverständlich, ohne uns vorher auch nur zu fragen, ob uns das recht ist. Dabei haben die auch nur zwei Kinder, man kann doch mal mit zwei Kindern das Haus verlassen, ohne das Personal mitzunehmen. Das muss für moderne Menschen doch möglich sein, mal mit zwei Kindern, einer Wickeltasche und einer Flasche Wein andere Leute in deren Wohnung zu besuchen, zumal wir ja auch Kinder haben, ist ja nicht so, dass bei uns Kinder irgendwie ruhiggestellt oder weggesperrt werden müssen. Ich bin einigermaßen an Kindergeräusche gewöhnt, und Adam putzt auch nicht mehr wie am Anfang jedes Fleckchen Kinderdreck sofort weg. Ich sollte die Kindermädchensache mal diesem Moral-Onkel vom «Süddeutschen»-Magazin schreiben, der immer so Fragen zu ethischen Zwiespälten beantwortet. Ich sollte den mal anmailen, ob das okay ist, einfach ungefragt das Kindermädchen mitzubringen, wenn man bei anderen Leuten zum Essen eingeladen wird, ob das Kindermädchen also sozusagen zur Familie zählt und keiner extra Einladung bedarf, beziehungsweise, ob es okay ist, das nicht okay zu finden, wenn Leute, die man zum Essen einlädt, einfach die Nanny anschleppen. Ob es moralisch vertretbar ist, das daneben zu finden. Ich finde das nämlich sehr daneben, unhöflich und taktlos. Ich weiß nie, wie ich dann umgehen soll mit dem Kindermädchen, da gibt’s sicher auch irgendeinen Verhaltenskodex, und ich kenne ihn nicht.

    Für die Millers ist es selbstverständlich, dass das Kindermädchen nicht mit uns isst, und sie speisen sie, diese hier heißt Ankica, mit ein paar Würsteln gemeinsam mit den Kindern ab, bevor die Erwachsenen, die richtigen Erwachsenen, zusammen essen. Mir ist das nicht recht. Ich will, dass wir alle gemeinsam essen, Kinder, Kindermädchen und wir, aber wer das Kindermädchen bringt, darf offenbar auch bestimmen, wer wann isst. Adam greift da nie ein, der ist Kindermädchen und ihre soziale Ausgrenzung ja gewohnt, aber ich finde das, ehrlich gesagt, übergriffig, ja widerwärtig. Aber wer hat in so einer Situation die Hoheit über Rechte und Pflichten des Kindermädchens, die Arbeitgeber oder die Gastgeber? Wer bestimmt, wann das Kindermädchen wo was isst? Wenn wir bei Millers sind, isst die Nanny überhaupt mit den Kindern, auch mit unseren, in der Küche oder im Kinderzimmer,
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