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Besser

Besser

Titel: Besser
Autoren: Doris Knecht
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Alles ist gut, Schnucki, alles ist gut, armer, kleiner Juri, schau, wir pusten es einfach weg, da schau: schon weg.
    «Ist was passiert?», fragt Adam über die Schulter.
    «Ja, ganz großes Aua», sage ich, «wird aber schon besser. Wollen wir doch sehen, ob sich nicht trotzdem ein kleines Lachen in dem Juri versteckt.» Ich kitzle seine Wange. Der Kleine konserviert seine Jammermiene noch zwei Sekunden, dann strahlt er. Funktioniert immer.
    «Auto bös», kichert er, und fasst nach meiner Brust. Das ist eine merkwürdige Sache; ich habe ihn nie gestillt, und trotzdem geht er mir an die Brust. Vielleicht weil er ein Kerl ist. Oder einfach, weil er es bei anderen Zweijährigen sieht, die auf ihre am Tisch plaudernden Mütter zumarschieren, ihnen mit beiden Händen eine Brust aus der Bluse fassen und sich festsaugen. Wird heute wohl auch wieder so sein. Ich muss jedes Mal wegsehen und mir auf die Zunge beißen. Ich finde es abartig, wie diese Mütter ihre Kinder nicht loslassen können. Sind übrigens meistens, eigentlich immer, männliche Kinder, Mädchen stillen sich offenbar freiwillig früher ab, oder Mütter haben zu ihren Töchtern schon in der Säuglingsphase eine andere, weniger symbiotische Beziehung. Ich kann da nicht mitreden. Ich habe das Stillen bei Elena kurz probiert, es ging nicht. Ich glaube, ich wollte gar nicht richtig. Ich glaube, ich will meine Brüste nur zum Spielen. Ich will nur volljährige Männer an meinen Brüsten.
    Ich würde jetzt gern seine SMS lesen, würde gern wissen, was er geschrieben hat. Dass er es schön fand und geil, dass er mich schon vermisst, und wie sehr er mich vermissen wird in Damaskus oder wohin er schon wieder fährt, aber ich setze den Kleinen in den Hochstuhl, mache ein Glas Obstbrei auf, schütte es auf seinen Teller mit den grinsenden Monstern, ziehe ihm einen Frottee-Latz über den Kopf. Ich drücke ihm einen Plastiklöffel in die eine Hand und eine Baby-Biskotte in die andere. Juri gluckst glücklich und haut rein. Und dann decke ich, soweit sein Gepatze am Tischende das zulässt, in sicherem Abstand auf. Moosgrüne Teller auf weiße Teller, die gelben Kinderteller, dazu hellgrüne Servietten, Silberbesteck und Plastikbesteck, Riedel-Gläser und die schweren Ikea-Gläser, die auch kleine Kinder nicht kaputt kriegen.

    «Ich weiß jetzt», hatte Moritz am Tag vorher am Telefon gesagt.
    «Was weißt du?»
    «Meine Vorsätze für heuer.»
    «Silvester ist vorbei», sagte ich.
    «Egal», sagte Moritz.
    «Also?»
    «Ich werde nicht mehr bei H&M einkaufen. Überhaupt bei keinen Billigdiskountern mehr. Ich werde kein Fleisch mehr essen. Ich erwäge, mir einen Hund zuzulegen. Und ich habe dieses Jahr zum frauenlosen Jahr erklärt. Die Weiber sind mir jetzt wurscht. Die sollen mich jetzt alle mal. Frauen interessieren mich heuer nicht.»
    «Keine Frauen mehr? Das ganze Jahr?»
    «Ja. Sie sollen ruhig kommen: Ich lasse sie abprallen und auflaufen.»
    «Ein fast ganzes frauenloses Jahr?»
    «Genau. Das Jahr ohne Frauen.»
    «Das ist doch mal ein guter Anfang.»
    «Wie meinst du das jetzt?»
    «Ach, nur so», sagte ich.
    «Ich bin nicht schwul», sagte Moritz, «wie war dein Nachmittag?»
    «Ich weiß nicht, wovon du sprichst», sagte ich. «Was für einen Hund?»
    «So einen wie in ‹The Artist›», sagte Moritz.
    «Steht dir sicher», sagte ich.
    Ich habe auch Moritz eingeladen, aber er fühlt sich heute nicht gut. Oder hat wahrscheinlich eher keine Lust. Er ist, wie ich, kein Fan von Felizitas von und zu Dingshausen, aber im Unterschied zu mir kann er sich aussuchen, ob er mit ihr befreundet sein will oder nicht. Und ob sie an seinem Tisch sitzt oder nicht. An meinem sitzt sie jetzt, neben Sven, Adams ältestem Freund.

    «Aber es ist doch ganz logisch, dass die Mitte-Parteien ihren Kurs ändern, wenn ihnen sonst das gesamte unzufriedene Klientel von den Rechten abgenommen wird», sagt Sven. Er hat das Kartoffelpüree abgelehnt und vom Fleisch etwa ein Zehntel seiner üblichen Portion genommen, bitte lieber mehr Spinat und Erbsen, danke. Fräulein Aristo hat’s, ich hab es aus dem Augenwinkel gesehen, befriedigt zur Kenntnis genommen. Sven hat sichtbar abgenommen, er verliert die Kilos gerade ebenso rasant wie ihm parallel dazu die Haare ausgehen, offenbar hat er nach einer Million Fehlversuchen mit frustrierenden Rückschlägen endlich eine Diät gefunden, die wirkt. Sie heißt Felizitas. Felizitas von Dings zu Irgendwas, ich kann mir das nicht merken. Ich will es mir
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