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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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suchen jemanden?« fragte der für Anni Zuständige. Er fragte es höflich, interessiert, so daß Anni für einen Moment Hoffnung schöpfte.
    »Ja«, sagte sie hastig, »ja, meinen Mann suche ich. Klaffenböck, Georg, Lehrer, dreißig Jahre alt.«
    Der Höfliche kramte in seinen Karteikarten: »Kaiser, Kerschbaum, Kirchner, Klaffenböck, ja hier. Georg Klaffenböck – der ist hier.«
    Anni liefen die Tränen übers Gesicht. Gott, Jesus und Maria, Girgl war hier. Er war hier, ihr Girgl.
    »Kann ich ihn sprechen, ich bin seine Frau, wann komnt er raus?«
    Der Höfliche sah sie bedauernd an: »Tut mir leid, Frau Klaffenböck, ihr Mann ist heute nacht gestorben.«
    Der Beamte führte Anni zur Tür. Die Wartenden machten ihr Platz. Anni ging hinaus. Sie stand auf dem Platz. Stürzten die Häuser auf die Straße? Begruben die Bäume, die Laternenmaste sie unter sich? Anni stützte sich an eine Hauswand. Sie spürte, daß der Putz kalt war und naß. Es hatte wieder zu regnen begonnen.

 
    Thereses Vater ließ Girgl in dessen Heimatort überführen. Dort richtete er ein Begräbnis aus, wie es üblich war. Therese hörte, wie die Verwandten sagten, man könne Anni um so eine Herrschaft beneiden; erst die großartige Hochzeit beim »Aumeister«, und jetzt ein so schönes Leichenbegräbnis.
    In ihrem schwarzen Trachtengewand stand Anni am Grab Girgls. Es war Therese, als wüchse Annis Rock in die Erde um Girgls Grab, als würde Anni eins mit der Erde und mit Girgl. So unbeweglich stand Anni da, und erst beim Trommelwirbel der Antlaßschützenkapelle, als sie den Sarg hinunterließen, da schienen sich Annis Füße vom Boden zu lösen. Anni schien zu schwanken, jedenfalls schien es Therese so, und sie schob ihre Hand zwischen Annis verkrampfte Finger, die sich öffneten und Thereses Hand umschlossen. Therese hielt still, hielt Annis Hand wie etwas Kostbares, Verletzliches. Sie traute sich kaum, sich zu bewegen. Das Grab vor ihr, die Menschen in ihren Trachten, der Pfarrer, die Meßbuben, alles schien vor Therese zurückzuweichen.
    »Anni hat ja uns«, dachte Therese, und sie wußte auch, daß es kein Trost sein konnte, daß sie vielmehr sich selber tröstete, sich davon abzuhalten suchte, noch tiefer in Annis Schmerz hineinzuversinken. Für einen Moment sah Therese dankbar auf ihre Eltern, die, mit Sybille an der Hand, mit ernsten, traurigen Gesichtern am Grab standen undden Worten des Pfarrers zuhörten, der jetzt geweihtes Wasser auf den Sarg Girgls sprengte und dann Erde darauf schaufelte. Therese sah, wie Sybilles kindlich weicher Mund zuckte, wie die Zehnjährige gleich allen anderen versuchte, nicht zu schluchzen, so stark und mutig zu sein, wie es Girgl gewesen war. Therese liebte in diesem Moment Anni und Sybille mit der ganzen Tiefe ihrer Empfindung, sie wollte gut sein und klug und kämpferisch, um Anni und Sybille zu beschützen. Zum erstenmal dachte sie daran, was der Pfarrer gerade aussprach, daß alle Menschen auf die Welt kommen und wieder weggehen und zu Staub werden. Therese begriff es mit ihrem Verstand und mit ihrer Seele, und in diesem Moment würgte sie der Verlust Girgls. Nie mehr würde sie ihn sehen, seinen schmalen drahtigen Körper, das Leuchten seiner großen Augen, wenn er Anni ansah, wenn er Therese die Gleichungen korrigierte oder mit Sybille ein Diktat übte. Erst jetzt begriff Therese, daß Girgl stumm war und tot.
    Es war ihr, als sähe sie auch Anni zum erstenmal. Anni, erst sechsundzwanzig, aber in diesen Tagen war sie alt geworden. Annis große dunkle Augen, »Kirschenaugen« hatte Girgl sie bewundernd genannt, Annis Augen waren klein und rot vom Weinen, und sie sahen aus wie blutende Wunden in Annis weißem Gesicht. Die Nazis hatten Girgl erschlagen. Auch Anni war tot. Ihre Welt war ohne Leben. Therese hatte das in den vergangenen Tagen deutlich gespürt. Anni war nicht anwesend. Müde und zermürbt ließ sie alles über sich ergehen. Nur einmal, und nur zu Therese, sagte Anni, daß Girgl fort sei: »Er ist tot, Resei, tot. Er kommt nie mehr. Verstehst du das, Resei?«
    Resei, so hatte Anni Therese genannt, als Therese noch ein kleines Kind und Anni ein junges Mädchen war, und jetzt war Anni eine Frau, und höllische Schmerzen zerrissen sie, und sie mußte doch dastehen und in das Grabschauen, das für Girgl geschaufelt war. Girgl kam nicht mehr zurück.
    Anni blieb bei Therese, bei den Suttners. Auch noch, als die Suttners keine Herrschaften mehr waren, sondern Judenpack. Besonders
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