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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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mühsamen Leben.
    Therese sah die Blumen in den Bauerngärten, sie spürte die Sonne auf ihrer Haut und sie begriff, daß dies alles jetzt wieder auch für sie da war. Daß sie mit diesem Amerikanerin ihre Freiheit fuhr. Vielleicht würde es lange dauern, bis sie die Zeit der Verfolgung abgestreift hatte, bis sie die Verfemung vergaß. Vielleicht würden sie noch lange Träume quälen. Träume von Entdeckung, Träume von dem grünen Wasser der Donau, das über Mutter und Sybille zusammenschlug. Vielleicht dauerte es Jahre, bis Therese die Haut, die die Nazis ihr übergestülpt hatten, abstreifen konnte, eine neue Haut nachwuchs. Wieder in einem Bett schlafen. Baden, stundenlang baden. An einem Tisch sitzen. Von Tellern essen. Ohne Stablampe lesen. Musik hören.
    Therese war froh, ein Mensch zu sein.
    Obwohl Therese nur blinzeln konnte, sah sie, wie die Lechners in den Ort gingen, vor einem Amerikaner her, der immer noch seine Maschinenpistole im Anschlag hatte. Zum erstenmal bemerkte Therese, daß Kaspar Lechner unbeholfen ging, fast hinkte. Eng an seiner Seite hielt sich Max, Loni ging rechts von Kaspar. Sie schaute immer wieder angstvoll auf den Amerikaner, der sie zur Eile trieb. Wieshamer standen am Weg, gafften oder schauten ängstlich. War denn der Krieg immer noch nicht vorbei? Was hatte der Soldat mit den Lechners vor? Sie alle starrten auf den Jeep, der gerade mit Therese an den Lechners vorbeifuhr. Und Therese dachte, daß noch vor kurzem Nazis Juden vor sich hergetrieben hatten in den Tod.
    Der Amerikaner, der die Lechners fortbrachte, würde sie nicht umbringen. Sie mußten ihr Haus räumen. Therese wußte noch nicht, wie sie den Lechners helfen konnte. Wenn ihr doch der Himmel ein Zeichen geben wollte. Aber einer wie ihr, die nicht einmal einen Gott hatte, einer wie Therese gab der Himmel kein Zeichen. Therese konnte nicht verhindern, daß Kaspar Lechner wie ein Nazi behandelt wurde. Obwohl er sich nicht nach dem Parteibuch gerichtet hatte, zeigten ihm die Amerikaner ihren Abscheu,ihre Verachtung, ihren Ekel. Auch seiner Familie. Kaspar und Maxl hatten das nicht verdient. Loni dagegen konnte ein wenig Drangsal nicht schaden.
    Für Maximilian würde Therese leben. Für ihn, für Valerie und für Anni. Wie viele Menschen, wie viele Juden vor allem, hatten verloren, was sie liebten. Waren ohne Hoffnung. Therese dagegen würde Valerie suchen und Anni. Therese war nun frei. Frei!
    In diesem Moment schien ihr nichts mehr unmöglich.

Nachwort
    Die Begegnung mit Therese Rheinfelder verdanke ich dem Münchner Publizisten Dr.   Ernst Müller-Meiningen (Wamse). Er war mit der Familie Rheinfelder befreundet. Seine Mutter war Jüdin. Sie hat sich bei der Machtergreifung Hitlers das Leben genommen. Ernst Müller-Meiningen gab Therese Rheinfelder einige meiner Bücher, und sie sagte dann im Winter 1990   /   91, daß sie mich kennenlernen wolle. Im Laufe dieses Jahres trafen wir uns immer wieder zu Gesprächen. Ich war fasziniert von der Souveränität dieser warmherzigen Frau, deren lakonische Beschreibung ihres Schicksals mich tief beeindruckte und gleichzeitig fassungslos machte. Therese bekam mein Manuskript als erste zu lesen. Nach Wochen, die ich in einiger Anspannung verlebte, rief sie mich an und sagte nur: »Es ist unser Buch.« Sie hatte zur Bedingung gemacht, daß sie völlig anonym bliebe. Auch ihre Lebensumstände sollte ich verfremden. Einmal rief sie mich in allergrößter Aufregung an und machte mir Vorwürfe. Sie hatte in einer Tageszeitung eine Notiz gelesen, in der ihr Name im Zusammenhang mit Entnazifizierungsverfahren genannt wurde. Ich konnte ihr versichern, daß ich damit nichts zu tun hätte.
    Andererseits war sie gespannt auf die Rezeption ihrer Lebensgeschichte. Besonders wenn ich in Schulen las, mußte ich ihr jedesmal berichten. Als eine Klasse Bilder zu ihrem Schicksal malte, hat sie das tief gerührt. Schuldzuweisungen waren ihr fremd. »Was willst du«, sagte sie, »der Plebs war dran.«
    Noch lange nach dem Krieg hat Therese in ihrem Beruf als Dermatologin an einer Münchner Klinik gearbeitet.Alles, was sie an Geld erübrigen konnte – sie lebte äußerst bescheiden –, gab sie dem SOS-Kinderdorf.
    Sie war krank, sie war sehr müde. In einem Kaufhaus wollte sie für mich ein Nackenkissen kaufen, da ich über Kopfschmerzen geklagt hatte. Sie erlitt einen Ohnmachtsanfall, fragte den Notarzt, warum er sie nicht habe sterben lassen. Er sagte: »Sie wissen doch, daß ich das nicht
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