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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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nun an immer im Bett tun würden. Therese spürte wieder die wilde, unnennbare Süße in sich, wie eine glutrote Welle, die sich in ihrem Inneren brach und zerbarst. Und die nächste Welle kam, und dann immer wieder eine, und zuletzt war das Kirchenschiff ein Ozean, über dem silberne Möwen kreisten, immer höher, immer weiter, und Therese fühlte sich seltsam leicht und frei und voller Erwartung.

 
    Anni hieß nun Frau Klaffenböck, aber nur Thereses Eltern nannten sie so, Sybille und Therese sagten weiterhin Anni. Anni kam ins Haus der Familie Suttner zur Arbeit wieimmer. Girgl hatte noch keine Anstellung als Lehrer gefunden, aber er war trotzdem nie daheim. Therese sah Girgl ebenso wie Anni bald in einem anderen, schärferen Licht. Vielleicht lag es daran, daß Thereses Leben sich ihr öffnete, daß sie mehr und genauer sah und hörte, was um sie herum geschah. Doch immer noch war Anni und damit auch Girgl Thereses unmittelbare Welt, beide schienen ihr geheimnisvoll und hochinteressant, waren ihr viel näher als die Eltern, deren persönliches Leben sich hinter weißlackierten Türen abspielte, in Räumen, die Therese natürlich nicht verboten waren, die sie jedoch mied, wenn man vom Atelier der Mutter absah, in dem sie manchmal viele Stunden zubrachte, ohne der Mutter auch nur sekundenlang nahezusein. Mutter schien besonders beim Malen nur sich selbst zu gehören, sie war in einer derart starken Intensität in ihre Arbeit versunken, daß sie Therese fremd blieb.
    Anni hingegen war für Therese jederzeit begreiflich. Durch Anni bekam Therese auch eine Ahnung von Girgl, und mit der neuen Sicht auf ihn wuchs Thereses Respekt. Anni erklärte Therese, daß Girgl Sozialdemokrat sei und fast ständig in der Zentrale seiner Partei in der Pestalozzistraße arbeite. Auch bei den Naturfreunden war Girgl Mitglied. Anni war stolz auf ihren Mann, aber sie hatte auch Angst um ihn. Die Sozialdemokraten kämpften gegen die Nationalsozialisten. Mitglieder der SA und der SS brachen in Versammlungen der SPDein, mißhandelten die Teilnehmer. Es gab Morde. Girgl, eher klein und mager, war wie viele seiner Genossen im Judokampfsport trainiert. Er war schon oft bei Zusammenstößen mit den Nazis verletzt worden.
    Thereses Vater warnte Girgl, bat ihn, in Annis und seinem eigenen Interesse die Arbeit in der SPDaufzugeben, aber Girgl sah Vater nur kopfschüttelnd an. Sosehr er den Arbeitgeber seiner Frau respektierte, ihn menschlichschätzte – politisch schien Dr.   Richard Suttner Girgl völlig weltfremd. Dabei war der Mann Jude. Wo hatte der seine Augen und seine Ohren, lebte der nur für Soll und Haben, für sein Automobil, für seine Telefonate, seine Briefe, seine Depeschen? Einmal hörte Therese, wie Girgl zu ihrem Vater sagte: »Lesen Sie das Buch Hitlers, dann werden Sie einsehen, daß wir etwas tun müssen, daß auch Sie etwas tun müssen.« Therese wußte nicht mehr, was ihr Vater geantwortet hatte. Wahrscheinlich war er wortlos in sein Zimmer gegangen, wie immer, wenn ihm ein Gespräch zu unbequem wurde. Therese hatte auch niemals gesehen, daß ihr Vater Hitlers Buch in die Hand genommen hätte.
    Für Girgl wurde es immer schwieriger, seine gefahrvolle Arbeit gegen die NSDAP fortzusetzen. Im März war das Münchner Gewerkschaftshaus gestürmt worden. Glücklicherweise hatte Girgl noch gemeinsam mit seinem Freund Nepomuk Fuchs Karteikarten und die Schreibmaschine herausgeholt, die Nepomuk gehörte. Seitdem war es nicht leicht gewesen für Girgl und Nepomuk, sich zu orientieren. Es gab überall Mißtrauen. Viele Genossen schwenkten um in das Lager der Nationalsozialisten. Jugendliche, die früher bei Girgl und Nepomuk in der Kindergruppe waren, begegneten ihnen plötzlich in Uniform der Hitler-Jugend. Ein wirklicher Schock war es für Girgl, als ihm der Bindinger Sepp in der Dienerstraße entgegenkam. Der Bub, der im Jugendheim an der Dom-Pedro-Straße in Neuhausen immer der Eifrigste gewesen war, trug jetzt die HJ-Kluft. Girgl erinnerte sich, wie verzweifelt Sepp weinte, als die Nazis versucht hatten, das Jugendheim in Brand zu stecken. Sepp wußte viel über die politischen Ziele der Gruppe. Dies alles schoß Girgl durch den Kopf, und daher ging er auf den Bindinger Sepp zu, der ihn offenbar nicht gesehen hatte. »Grüß di, Sepp«, sagte er und faßte den Überraschten unter. »Denk dir nichts, aber wir zweimüssen reden«, und er setzte sich mit Sepp ins »Augustiner«, und dann erfuhr er, was er sich schon gedacht
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