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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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Kontrollen, es war nur ein Zufall, daß sie so lange verschont geblieben waren. Woher hatten sie nur die Sicherheit genommen, daß ihnen nichts passieren würde? Es war natürlich keine wirkliche Sicherheit gewesen, sie hatten nicht ernsthaft geglaubt, daß ihr Haus eine Arche Noah sein könne. Aber man lebte, als wäre es so. Doch heute hatten sie Vater gezeigt, was ein Jude ist, und Therese war dabeigewesen. Das waren keine Gerüchte mehr, die man verdrängen, beiseite schieben, auf morgen vertagen konnte. Die Männer, die Vater traten, auf ihn einschlugen, sie waren eine neue Realität, die jede Illusion von Geborgenheit, von Sicherheit und Nocheinmaldavonkommen endgültig zerstörte. Therese wußte, die Männer, die ihren Vater mitgenommen hatten, konnten ihn erschießen oder erhängen, obwohl es dafür keinen Grund gab. Oder viele Gründe.
    Diese Gründe schallten tagtäglich aus dem Radio, sie standen in den Zeitungen, im ›Stürmer‹, im ›Völkischen Beobachter‹, in Hitlers Buch ›Mein Kampf‹.
    Therese brachte Valerie wieder zu Bett, Mutter stand am Fenster und sah dem Wagen hinterher, der Vater wegbrachte. Therese zog für Valerie die Spieluhr auf. In das Lied ›Guten Abend, gute Nacht‹ hinein sagte Sybille, daß Vater jetzt wohl nicht mehr so tun könne, als sei er arisch.
    Die Nationalsozialisten hatten Thereses Vater, den Textilfabrikanten und Kaufhausbesitzer Richard Suttner, bislang in Ruhe arbeiten lassen. Die Firma SUTTNER IMPORT/EXPORT stellte bereits in der dritten Familiengeneration vor allem Trikotagen her, Unterwäsche von feinster Qualität. Eigentlich hatte es mit Socken begonnen, Wollsachen, die der Urgroßvater auf einem Wirkstuhl strickte, den er von Hugenotten erworben hatte. Im Laufe der Jahrzehnte waren Wirkwaren dazugekommen, der Ein-Mann-Betrieb hatte sich zur Fabrik ausgewachsen, die Jersey- und Strickstoffe herstellte für Pullover, Kleider und Bademoden. Die Kriegsjahre 1914   /   18 zerstörten die bald internationale Bedeutung der Firma, doch Thereses Vater hatte nicht aufgegeben, und derzeit erzielte die Fabrik wieder Millionengewinne, die den Nazis wohlgefielen, obgleich ein Jude sie erwirtschaftete. Doch im Mai 1935 klebte auch auf dem Firmenschild der Suttnerschen Strickwarenfabrik das Wort JUDE und ein weiteres hing am Fabriktor mit den Worten RAUS MIT DEN JUDEN. Dr.   Anton Huber, der arische Prokurist des Hauses, beschwerte sich umgehend bei der Reichsleitung. Eine Weile blieben die Firmenschilder unbeklebt, doch eines Tages stand dort wieder das Wort JUDE. Die Arbeit der Firma blieb jedoch zunächst noch unberührt.
    Das Kaufhaus der Familie im Rosental dagegen war nicht so lange unbehelligt. Therese erinnerte sich, wie eszum erstenmal passierte. Die Familie saß gerade beim Essen, als das Telefon läutete. Blumauer war am Telefon, Vaters engster Mitarbeiter, der das Kaufhaus führte. Als Vater zurückkam aus seinem Arbeitszimmer, schien er Therese auffallend blaß, jedoch er setzte sich und aß weiter.
    »Was ist los, Vater?« fragte Therese schließlich, und als sähe er die Sinnlosigkeit seines Schweigens ein, gab ihr Vater Auskunft: »Sie haben im Kaufhaus die Fenster beschmiert, das Übliche, was sie jetzt überall hinschmieren. Beim Uhlfelder waren sie auch. Sie drängen sich in das Haus, wollen die Kunden hinauswerfen, bieten den Angestellten Prügel an. Blumauer hat schon das Überfallkommando angerufen.« Es war Vater sichtlich unangenehm, Tatsachen zu berichten, die zu verdrängen er sich immer stärker bemühen mußte. Sybille hatte ihm gespannt zugehört. Ihr weiches, schönes Gesicht war zornig, angespannt, sie sprang auf: »Papa, das lassen wir uns aber nicht gefallen. Wir müssen was unternehmen!«
    Vaters Kinnmuskeln zuckten. Er legte seine Serviette hin. Er hatte es satt. Er stand auf, sagte im Hinausgehen zu Sybille, daß sie völlig recht habe: »Ich muß was unternehmen. Ich, und nicht du oder ihr. Setz dich hin und iß weiter.«
    Sie erfuhren dann, daß sämtliche jüdischen Geschäfte in München überfallen worden waren. Bach in der Sendlinger Straße, Rothschild im Färbergraben, Elko und Eichengrün in der Karmeliterstraße. Auch in der Kaufingerstraße bei Bamberger und bei Hertz hatten die Trupps der SA versucht, Kunden aus dem Geschäft zu weisen, arische Angestellte zu verprügeln.
    Gegen das ausdrückliche Verbot des Vaters gingen Therese und Sybille ins Rosental. Sie hatten schon früher gesehen, daß die Gehsteige mit weißer
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