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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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machte die Leinen los, startete den Motor und tuckerte aus dem Hafen.
    Während er am Steuer stand, rief er: »Heute Abend braten wir uns Makrelen, Bobby. Ich hoffe, du magst Fisch. Bei mir an Bord gibt es fast jeden Tag Fisch.«
    Wunderbar, dachte ich. Gebratene Makrele. Und dazu am besten einen ganzen Sack Kartoffeln, in meinem Magen war nämlich Ebbe. So eine Salami hielt ja nicht ewig vor. Der lange Hein hatte also doch nicht vergessen, dass kleine Hunde, die auf dem Weg zu Hugo vom Walde waren und schnell wachsen wollten, auch reichlich fressen mussten.

    Ich stand wie eine Galionsfigur am Bug und sah hinaus aufs Meer. Der Wind pustete mir das Fell aus dem Gesicht, und ich hörte, dass der lange Hein ein Seemannslied leise vor sich hin summte.
    Eine steife Brise zog auf, und der Himmel wurde immer dunkler, weil sich jetzt dichte schwarzviolette Wolken vor die Sonne schoben. Das Wetter wurde immer ungemütlicher, wahrscheinlich zog ein Gewitter auf. Allmählich wurde es mir am Bug des Schiffes zu windig. Also lief ich zum Heck des Schiffes und rollte mich dort unter der hölzernen Rückbank zusammen und schlief augenblicklich ein.
     
    Ich träumte von dem großen Fressnapf bei Küsters. Er sah aus wie ein Ring, der mit köstlichem Futter vollgeschüttet wurde, und wir Welpen standen alle drumherum und fraßen. Es war genug Platz für alle, aber natürlich stänkerte und schubste Bodo in einem fort.
    Ein Königreich für einen prall gefüllten Futterring, dafür würde ich sogar Bodo in Kauf nehmen!
    Mein Hunger wurde immer schlimmer, und ich sah im Traum Makrelen, die in der Badewanne der Küsters schwammen. Ich versuchte nach ihnen zu schnappen, konnte aber keine einzige fangen. Stattdessen schluckte ich Unmengen von Wasser. Mir wurde so schlecht, dass ich aufwachte.
    Ich traute meinen Augen nicht. Allmählich wurde es stockfinster, und das Meer gurgelte und brodelte und war so düster, dass mir angst und bange wurde. Schäumende Wellen brachen über den Bug, und das Deck war bereits überspült. Aber das
Schlimmste war, dass das Schiff so schaukelte, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte.
    Ich fürchtete mich so entsetzlich, dass ich am ganzen Körper zitterte. Außerdem glaubte ich, mich jeden Moment übergeben zu müssen.
    Meine Augen brannten wie Feuer, weil mir unentwegt Salzwasser ins Gesicht spritzte. Ich blinzelte und sah durch die Gischt den langen Hein hinter dem riesigen Ruder am Steuerstand des kleinen Führerhäuschens stehen. Er hatte einen Friesennerz an (so hatte Paule immer seinen gelben Regenmantel genannt) und sah aus wie eine in Plastik eingeschweißte Zitrone.
    Selbst bei dem Wind konnte ich hören, dass er andauernd »Düwel noch eins« brüllte. Das kannte ich auch von Paule, der sich einmal mit dem Hammer auf den Daumen geschlagen hatte, im Zimmer herumgehüpft war und unentwegt »zum Düwel noch mal« gebrüllt hatte, was so viel wie »zum Teufel noch mal« hieß.
    Ich war so damit beschäftigt, die Ohren zu spitzen, dass ich einen Moment lang nicht aufpasste. So merkte ich nicht, wie eine riesige Welle über das Schiff hereinbrach und mich wegspülte. Ich wirbelte durch die Luft, sah und hörte nichts mehr, überall um mich herum war nichts als Wasser. Über mir, unter mir und neben mir. Ich schluckte Wasser und atmete Wasser ein und war davon überzeugt, längst unter Wasser in der tobenden Nordsee zu schwimmen. Ich versuchte zu bellen, konnte aber nur gurgeln, verschluckte mich dabei und musste husten.
    Meine Panik wurde immer schlimmer.

    Auf einmal spürte ich, wie ich über Deck rutschte. Das Schiff lag ganz schief, und ich raste auf die Reling zu. Es war tröstlich zu wissen, dass ich doch noch nicht im Meer schwamm, aber gleich würde ich ins Wasser rutschen und verloren sein. In den tobenden Wellentälern und -bergen würde mich der lange Hein niemals wiederfinden.

    Ich gab einen quietschenden Ton von mir, den höchsten und verzweifeltsten Ton, den ein Hund überhaupt von sich geben konnte, und schrie: »Mama, Papa, Paule – wo seid ihr? Helft mir doch!«
    Aber mein Hilfeschrei blieb ungehört und klang im Sturm nur wie ein zaghaftes, verzweifeltes Winseln.
    Ich war am Ende und konnte nichts dagegen tun, dass ich auf die tosenden Fluten zurutschte, die wie ein wütendes Ungeheuer darauf warteten, mich in die Tiefe zu ziehen und zu verschlingen.

MEIN LEBENSRETTER
    Es war eine derbe, starke Hand, die mich am Nackenfell packte und hochriss. Ich zappelte und strampelte
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