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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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und konnte es nicht fassen: Ich war am Leben!
    Der lange Hein hielt mich mit der einen Hand in der Luft und mit der andern klammerte er sich am Steuer fest, damit er nicht über Bord fiel.
    »Düwel noch eins!«, schrie er. »Da wär die lütte Krabbe ja beinah baden gegangen!«
    Erst ein Hase, dann ein Affe, eine Ratte und eine Qualle, und jetzt war ich eine kleine Krabbe. Aber es war mir egal. Ich war immer noch an Bord, der lange Hein hatte mich gerettet, und ich hatte riesige Lust, ihm vor lauter Dankbarkeit lange und ausgiebig das Gesicht zu lecken. Aber das war bei dem fürchterlichen Sturm unmöglich.
    Der lange Hein setzte mich im Steuerhäuschen auf den Boden und schlug die Tür zu. »Du bist ja nass wie ’ne Katze«, knurrte er. »Und dabei jagt man bei dem Schietwetter normalerweise keinen Hund vor die Tür. Tut mir leid, Kumpel, aber ich hatte ganz vergessen, dass du da draußen noch rumlungerst. Ich hab mich einfach noch nicht dran gewöhnt, dass du
an Bord bist. Aber das kommt schon noch. Mach dir man keine Sorgen.«
    Ich machte mir keine Sorgen. Denn wenn man so etwas Schlimmes erlebt hatte wie ich in den letzten Minuten, machte man sich überhaupt über nichts mehr Sorgen.
    Das Schiff schaukelte fürchterlich. Es kippte auf den Wellen nach vorn wie eine Achterbahn, die bergab raste, dann ging es wieder ganz steil nach oben, dann legte es sich auf die rechte Seite, dann auf die linke und drehte sich ein bisschen, dass einem ganz trieselig wurde. Mir war schon wieder schlecht, aber ich schluckte unaufhörlich, um mich nicht übergeben zu müssen, denn ich war mir sicher, dass der lange Hein auf die Dauer keinen seekranken Hund an Bord gebrauchen konnte. Und bis in die Südsee waren wir bestimmt noch Wochen unterwegs. Wenn nicht Monate.
    Da hatte mich der lange Hein also kurzfristig vergessen! Er schien überhaupt ziemlich vergesslich zu sein, denn von Makrelen zum Abendbrot war auch keine Rede mehr. Ich versuchte krampfhaft, nicht an knusprig gebratene Makrelen zu denken, sondern an Äpfel, Birnen und Pflaumen, die ich eklig fand und auf die ich nie Appetit hatte. Auch nicht, wenn mein Magen so leer war wie Paules Portemonnaie. »Komisch, hier frisst einer Geld«, hatte Paule oft gesagt. »In meiner Brieftasche ist schon wieder Ebbe.«
    Damals hatte ich nicht kapiert, was er meinte, aber jetzt war es mir klar.
    »Die Dösbaddel im Radio haben heute Morgen keinen Ton gesagt, dass so ein Schietwetter im Anmarsch ist. Hab ich doch
gar nicht nötig, mich hier durchtrudeln zu lassen, da wäre ich doch lieber im Hafen geblieben, findste nich’ auch, Krabbe?«
    Wollte er mich nicht Bobby nennen? Jetzt sagte er schon zum zweiten Mal Krabbe, aber egal. Ich wusste ja, dass ich gemeint war, und bellte zustimmend.
    »Bei der nächten Möglichkeit gehen wir an Land«, murmelte Hein. »Bis Helgoland schaffen wir es auf keinen Fall. Wird auch schon dunkel. Da werden wir wohl auf Hallig Hooge übernachten müssen. Das ist überhaupt ’ne prima Idee. Ich hab da gute Freunde, die Minna und den Ole, die haben ein gemütliches kleines Haus.«
    Das hörte sich traumhaft an. Gemütliche kleine Häuser hatten in der Regel alle auch eine süße kleine Küche samt Speisekammer mit Wurstkonserven, Salami, Schinken, Nudeln, Kartoffeln und Käse oder eine Tiefkühltruhe mit eingefrorenen Koteletts mit extra dicken Knochen, mit Schweinebraten und Steaks, Bock- und Bratwürsten und Hühner- und Gänsekeulen. – Mir lief das Wasser in der Schnauze zusammen, und schon wurde mir wieder übel.
    »Vor dem Ole darfst du dich nicht erschrecken, kleine Krabbe«, fuhr der lange Hein fort, und ich wunderte mich, wie er bei dem Geschaukel überhaupt reden konnte. »Das ist ein Kerl wie ein Baum. Ich bin ja auch nicht gerade klein, darum nennen mich auch alle langer Hein, aber Ole ist noch größer und breiter und kräftiger. Wo der hintritt, wächst kein Gras mehr. Und was der anpackt, wird zerquetscht.«
    Na toll! Da musste ich mir schnellstens was überlegen, wie ich verhindern konnte, dass mich Ole auf den Arm nahm.

    »Ole hat mal ein paar Jahre in Schweden als Holzfäller gearbeitet. Da ist er Weltmeister im Baumstämme-Weitwurf geworden. Kannst du dir so was vorstellen?«
    Mal sehn. Vielleicht konnte ich mir das vorstellen, wenn ich Ole sah. Auf alle Fälle konnte ich mir jetzt vorstellen, warum sich der lange Hein einen Hund gewünscht hatte. Er wollte ihn einfach zutexten und ihm den ganzen Tag irgendwelche Dönkes erzählen. Der
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