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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)
Autoren: Jonas Winner
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    Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung
    Der vorletzte Band der Reihe.

 
     
     
     
    PROLOG
     

1
     
    „Es sind Lyssaviren aus der Familie der Rhabdoviridae. Ihre Replikation findet im Zytoplasma der Wirtszelle statt, innerhalb spezieller ‚Virenfabriken‘, den sogenannten Negri-Körpern. Diese Negri-Körper haben einen Durchmesser von zwei bis zehn Mikrometern und können als pathognostisches Merkmal dienen.“
    „Pathognostisch?“
    „Ja, das heißt, wir können eindeutig feststellen, dass eine Infektion stattgefunden hat, wenn dieses Merkmal nachweisbar ist.“
    Butz blickt durch die Glasscheibe in einen Raum, in dem ein Mann auf einem Krankenhausbett liegt.
    „Bei ihm ist der Virus bereits bis ins Hirn vorgedrungen, eine Impfung ist nicht mehr hilfreich“, sagt der Arzt neben Butz.
    „Man kann nichts mehr für ihn tun?“
    Der Mediziner wendet den Blick nicht von seinem Patienten. „In diesem Stadium ist der Krankheitsverlauf so gut wie immer tödlich. Sehen Sie“, er nickt zu dem Metallbett, „wir nennen das Wasserphobie.“
    Der Mann auf der Matratze stemmt sich mit aller Kraft, die noch in seinem ausgezehrten Leib steckt, gegen die Ledergürtel, die über seine Brust, sein Becken, seine Knie und seine Knöchel verlaufen. Mit krampfhaft hochgerecktem Kopf blickt er zu einem Pfleger, der das Zimmer gerade mit einer Plastikflasche in der Hand betreten hat. An der Tülle der Flasche ist ein Gummischlauch befestigt.
    „Die Symptome sind Angst, Verwirrtheit, Aufregung und Lähmungen“, sagt der Arzt an Butz‘ Seite. „Das steigert sich bis zu Halluzinationen und Schlaflosigkeit, ja bis zum Delirium. Der Mann hat seit vier oder fünf Tagen nicht mehr geschlafen, entsprechend überreizt ist sein Nervensystem.“
    Der Blick des Patienten flackert durch den Raum, huscht über die Scheibe, durch die hindurch Butz ihn betrachtet, scheint sich in einer Ecke des Zimmers festzusaugen, fliegt dann aber mit einer ruckartigen Bewegung zurück zum Pfleger, der versucht, durch die Scheibe hindurch vom Arzt Anweisungen darüber zu bekommen, wie er weiter vorgehen soll.
    Der Arzt bedeutet ihm mit der Hand, dem Patienten die Plastikflasche zu geben. „Das Virus verursacht eine Gehirnentzündung, die zur Lähmung bestimmter Hirnnerven führt.“ Der Mediziner hat die Hände wieder in die Taschen seines Kittels geschoben. „Das wiederum zieht eine Rachenlähmung nach sich, die ihrerseits die Unfähigkeit zu sprechen oder zu schlucken bewirkt. Ein typisches Anzeichen für eine späte Phase der Krankheit.“
    Butz legt einen Unterarm auf die Scheibe, stützt sich dagegen, sieht darunter hindurch zu dem Patienten, dem es jetzt gelungen ist, einen Arm unter dem Lederriemen hervorzuwinden und damit in ruckartigen, gleichsam abgerissenen Bewegungen durch die Luft zu fahren.
    „Das ist noch nicht bis ins letzte Detail ausgeforscht worden, aber es gibt zahlreiche Anzeichen dafür, dass allein der Anblick von Wasser Krämpfe des Rachens und des Kehlkopfs auslöst. Dadurch kann der Speichel nicht mehr abgeschluckt werden und es bildet sich der typische Schaum vor dem Mund. Gleichzeitig hemmen die Wasserphobie und die Schluckbehinderung die Verdünnung des Virus, wodurch seine Virulenz noch einmal gesteigert wird.“
    Der Pfleger blickt zum Arzt: Es ist unmöglich, dem Patienten die Wasserflasche zu geben. Der Arzt nickt und gibt ihm ein Handzeichen: Er soll die Flasche auf den Nachttisch stellen und sich aus dem Zimmer zurückziehen. Dann klopft er leicht gegen die Scheibe - und es wirkt, als ob ein Pistolenschuss neben dem Patienten abgeschossen worden wäre. Ein heftiger Ruck erschüttert den Körper des Kranken und sein hagerer Schädel wird durch eine Muskelkontraktion, die das Gewebe nicht unbeschadet überstehen kann, noch einmal zentimeterweit nach oben gezogen. Butz sieht, wie sich der Mund des Mannes öffnet, der Kiefer nach unten gerissen wird, wie sich die Haut und das Fleisch in den Mundwinkeln straffen, dehnen, spannen, bis selbst Butz aus drei, vier Metern Entfernung erkennen kann, wie das Gewebe dort reißt. Blut tritt aus.
    Der Arzt hat seinen Pieper betätigt, bevor er sich wieder an Butz wendet. Man kann an den Schatten um seinen Augen ablesen, dass auch er seit Tagen kaum noch zur Ruhe gekommen ist. „Es kann nicht mehr lange dauern. Kein Organismus kann eine solche Wut gegen sich selbst, eine solche Entschlossenheit, sich zu zerstören, lange aushalten. Die geringsten Reize,
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