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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)
Autoren: Jonas Winner
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selbst Lichtwechsel reichen aus, um extreme Wutanfälle bei den Infizierten herbeizuführen … “
    Der Rachen des Patienten dehnt sich noch immer, der Unterkiefer presst sich bereits aufs Schlüsselbein. Von einem Schwindel erfasst, starrt Butz in die entsetzliche Mundhöhle. Nase, Augen, Stirn, alles darüber Liegende ist dahinter verschwunden - so weit aufgesperrt ist der Schlund.
    „Das äußert sich in Schreien, aber auch in Schlagen und Beißen … wobei vor allem eben durch einen Biss das hochkonzentrierte Virus übertragen wird.“
    Butz wendet sich ab.
    Es ist eine Krankheit, die die Menschen seit Jahrtausenden kennen. Wutkrankheit ist sie früher genannt worden, Hundswut, Lyssa oder Wasserfurcht.
    Aber es ist nichts anderes als die Tollwut .


     
    „Es ist überall“ - das war es, was Betty ihm gesagt hat. „Es ist überall.“
    In den Kanälen und Gräben, den Tümpeln und Löchern, den Stollen und Ecken, Nischen und Schächten, den Brunnen und Kellern der Stadt.
    Die Tollwut.
    Als seine Kollegen Butz endlich auf seinem Handy erreicht haben und er erfahren hat, was in dem Krankenhaus los ist, hat er sich unverzüglich dorthin begeben.
    Wo ist er hergekommen, der Virus, der die Stadt heimsucht?!
    Der in den feuchten Winkeln und fettigen Höhlen, den heißen Mauerlücken und fiebrigen Lagern lauert. Der sich ausbreitet wie eine Seuche, eine Plage, ein Fluch.
    Butz schaut den Gang hinunter. Der Mediziner hat sich entfernt, er sieht ihn durch den Korridor eilen, eine Hand in der Tasche seines Kittels, die andere am Pieper, auf dem ihn eben eine weitere Nachricht erreicht haben muss.
    Wo hat der Befall begonnen? Ein Fuchs, der sich in einem Tunnel verirrt? Ein Marder mit Schaum vorm Mund? Ein Frettchen, das einen Jungen anfällt, der aus einer Kiste im Keller Äpfel holt?
    Ein Fledermausrudel, das einen Neugierigen beißt, der im Stadtuntergrund stöbert? Eine Ratte, die jemanden infiziert, der sich durch die Ruinen und Trümmer hindurchgräbt - durch die Schuttlücken, die nie geschlossen wurden, seitdem Berlin im Bombenhagel begraben wurde?
    Butz fährt zusammen.
    Hinter ihm hat es gepoltert und er wirbelt herum. Blickt zu der Scheibe, hinter der sich der Patient befindet - und prallt zurück, als hätte seine Netzhaut Feuer gefangen.
    Der Kranke muss die Riemen durchrissen haben - steht keine drei Zentimeter hinter der Scheibe, das Gesicht auf das Glas gepresst, die Nase zur Seite gedrückt, ein Augapfel verschoben, weil er direkt auf die Scheibe gedrückt wird.
    Wo hat er ihn sich eingefangen, den Virus, der ihn jetzt verbrennt?
    Ist er selbst umhergeklettert in den Resten, die dort liegen - untertage? Zwischen den Mauern, den meterdicken Betonwänden, in den geheimen Bunkern und Lagervorräten, den Stollen und Verließen, die sich dort unten befinden und in denen sich - jahrzehntelang verschüttet - der Schweiß, die Leichen und die Exkremente gehalten haben, seitdem Berlin zerschlagen wurde? Ein Reservoir, das aufgebrochen scheint wie eine verschorfte Wunde, aus der der Eiter zentimeterhoch hervorschießt, wenn man darauf drückt.
    Stunden-, tage-, wochenlang haben die Detonationen die Mauern der Stadt erschüttert. Schweißnass haben die Menschen zu Hunderttausenden, zu Millionen des Nachts wachgelegen, aus Angst vor den Bomben, dem Unrecht, dem Wahnsinn. Eine Stadt, die untergegangen ist, verschüttet schien - aber nie ganz vom Erdboden verschwunden ist.
    Der Patient hinter der Scheibe schlägt auf dem Boden auf, als ob jemand seine überentzündete Willenskraft gekappt hätte wie ein Seil.
    Zugleich hört Butz die Schreie, das Grölen, die heißen, überspitzten Signale der Wut, die sich wie aus weiter Ferne und doch mit elektrisierender Wucht durch die Gänge des Krankenhauses auf ihn zuwälzen. Ein Stimmenchor, der nicht abreißt, sondern der sich noch einmal zu steigern scheint, als würden die anderen Patienten in dem Bau riechen, spüren, WISSEN, dass einer von ihnen sie verlassen hat, und sie deshalb nur noch heftiger, blinder, selbstzerstörerischer wüten müssen als vorher.

 
    BERLIN GOTHIC 6
     
    Erster Teil
     
     


     
    Vor zwei Jahren
     
    „Malte!“ Till sprang auf. „Wo warst du denn?“
    Malte hatte eben das obere Wohnzimmer von Max‘ Wohnung betreten. Er wirkte blass, angeschlagen, müde, hatte den Kopf gesenkt und schien sich möglichst unbemerkt an allen anderen vorbei Richtung Flur drängen zu wollen, um ins Treppenhaus und nach draußen zu gelangen.
    „Unten,
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