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Berichte aus dem Christstollen

Berichte aus dem Christstollen

Titel: Berichte aus dem Christstollen
Autoren: Jan Weiler
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morgene fruh la Befana und danne gehte die Party ricketig los.» Manchmal ist es besser, man geht gar nicht auf Antonio ein. Andererseits wollte ich doch wissen, wer oder was La Befana ist. Es konnte sich um eine Geliebte von Silvio Berlusconi handeln. Oder um einen Grippevirus. Oder um eine Soapopera des italienischen Fernsehens. Also fragte ich ihn, was es mit La Befana auf sich habe.
    Er setzte mir auseinander, dass La Befana eine hässliche, aber gute Hexe sei. Der Sage nach hörte Befana von den Hirten die Frohe Botschaft und machte sich auf die Suche nach dem Christuskind. Sie brach allerdings, wie in Italien allgemein üblich, etwas zu spät auf. Da war der Stern von Bethlehem schon erloschen, und so konnte Befana das Christuskind nicht finden. Seitdem fliegt sie in der Nacht vom 5 . auf den 6 . Januar von Kind zu Kind und verteilt Geschenke in der Hoffnung, den Heiland dabei eines Tages zu entdecken. Allerdings fliegt sie nur in Süditalien, was ihre Chancen erheblich verringert. Die Kinder hängen Strümpfe auf, und die braven bekommen Süßigkeiten hinein, die unartigen hingegen Kohle. Dabei handelt es sich um schwarz gefärbtes Zuckerzeug, sogenannte
carbone dolce
.
    «I make die Hex», rief Antonio, und das gefiel mir gut, weil ich mich dann nicht zum Obst machen musste. Vor dem Zubettgehen hängten die Kinder Strümpfe auf, und ich erklärte ihnen diese Befana-Geschichte, die Nick ratlos zurückließ, weil er kein Baby mehr sei und daher selbst für dumme Hexen unmöglich als Jesuskind durchgehe.

     
    Am nächsten Morgen waren die Strümpfe leer, denn Antonio hatte seinen Einsatz verschlafen. Während die Kinder mäßig enttäuscht ihre Strümpfe inspizierten, um sie danach anzuziehen, deckten Sara und ich den Frühstückstisch. Dann saßen wir zu viert wie üblich daran, und Nick bedauerte, nicht katholisch zu sein und daher beim Heiliger-König-Casting nicht in Frage zu kommen. Wenn er wählen könnte, wäre er Caspar, weil der ein Hiphopper ist. Für Nick sind alle Schwarzen Hiphopper, auch Barack Obama.
    Wir sahen in den verschneiten Garten. Da kamen die Heiligen Drei Könige die Straße entlang. Sie durchschritten das Gartentor, und ich hörte die Sternsinger singen. Auf einmal stürzte eine alte Frau aus einem Busch hervor. Sie war ziemlich hässlich und schrie irgendwas auf Italienisch. Sie trug eine lange Gumminase, meine Joggingschuhe und auf dem Kopf ein Geschirrtuch. Während sie schrie, fuchtelte sie mit den Armen herum und schwenkte eine Plastiktüte. Die Heiligen Drei Könige erstarrten erst und flohen dann panisch samt Gefolge aus dem Garten, wobei ein Weihrauchgefäß zurückblieb und im Schnee vor sich hin qualmte, was die Szene umso schauriger erscheinen ließ. Die Hexe trampelte in Richtung Haustür.
    «Warum sieht der Opa so bescheuert aus?», fragte Carla.
    «Das ist nicht der Opa, das ist La Befana», sagte Sara. «Wir warten, bis sie weg ist, und sehen dann mal nach, ob sie euch etwas gebracht hat.
    Vor der Tür lagen Schokolade und die süße Kohle. Ich muss davon ausgehen, dass auf diese Weise ein neuer Familienbrauch eingeführt ist. Eigentlich schade, denn ich mochte die Heiligen Drei Könige, die Sternsinger und ihren Segensspruch doch ganz gerne. Aber die kommen wahrscheinlich nie wieder zu uns.

Disziplin ist alles
    Nachdem sämtliche Feiertage absolviert sind, setze ich mich wieder an den Schreibtisch, neben dem ein brennender Busch steht und mich anbrüllt: «Arbeiten sollst du, nicht Plätzchen futtern. Und wie siehst du überhaupt aus!» Gut, da hat der brennende Busch recht: Ich habe zuletzt ein wenig zugelegt. Das ist nicht gut, aber ich kann es auch nicht ändern.
    Bei dieser Erkenntnis helfen zwei Befunde, die ich in jahrelanger Forschungsarbeit erstellt habe und nun hier präsentiere. Die gute Nachricht zuerst: Diäten bringen gar nichts. Man nimmt ab, und dann nimmt man wieder zu. Das ist ein Naturgesetz, und man muss sich keine Gedanken darüber machen. Wir denken ab einem gewissen Alter ja auch nicht mehr über Ebbe und Flut nach. Und nun die schlechte Nachricht: Diäten bringen gar nichts. Man nimmt ab und dann wieder zu, und deswegen kann man so eine Diät auch gleich bleibenlassen. So sehen das viele Menschen jenseits der vierzig, jedenfalls wenn sie nicht mehr auf dem Markt sind. Langverheiratete sparen sich den ganzen Aufwand und werden gemeinsam in Würde alt und dick.
    Ich finde das falsch, ich mag Diäten. Die Vorstellung, dass man sich wenigstens mal
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