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Berichte aus dem Christstollen

Berichte aus dem Christstollen

Titel: Berichte aus dem Christstollen
Autoren: Jan Weiler
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für ein paar Wochen im Jahr in eiserner Disziplin einem vollkommen lebensfernen Plan unterwirft, seine berechtigten Gelüste zähmt und schmerzhaften Verzicht übt, um einen Dämon in Schach zu halten, finde ich eine tolle, auch intellektuell großartige Herausforderung. Diät ist so gesehen auch nichts anderes als konsequent praktizierter Katholizismus.
    Für einen Protestanten wie mich ist das eine schöne Grenzerfahrung. Und wenn man schon nicht in die Kirche geht, dann kann man ja wenigstens mal für eine Weile auch nicht in die Küche gehen. Im Ergebnis sehe ich um Ostern herum immer aus wie frisch gelegt. Dann folgt der Sommer und mit ihm die Grillwürstchen und der Biergarten, und dann werden schon wieder Plätzchen gebacken, und alles geht dahin. Anfang Februar im darauffolgenden Jahr ist mir dann wieder nach Qual und Entbehrung. Ist doch schön.
    Ich habe auch schon allerhand ausprobiert. Die Brigitte-Diät zum Beispiel. Die wird immer sehr gelobt und überdauert die nach ihr benannte Zeitschrift vermutlich um einhundert Jahre, weil man bei ihr so gut mogeln kann. Oder die Methode Montignac. Da wird einem empfohlen, regelmäßig Rotwein zu trinken und stets einen Käse mit sich zu führen, weil es sein könnte, dass man ihn abends braucht. Das gefällt mir sehr, schon wegen des glamourösen Auftritts, wenn man irgendwo zum Essen eingeladen ist und die Gastgeber mit 100  Gramm Roquefort aus der Hosentasche überrascht.

    Ebenfalls von mir erprobt: Fasten. Das führte aber zu gar nichts. Eigentlich hatte ich die ganze Zeit Hunger und schlechte Laune und roch aus dem Mund wie das Ungeheuer aus dem Sumpf. Die Hollywood-Stardiät ist auch doof. Man isst praktisch nur Hummer, Shrimps oder Ananas und trinkt dazu Wasser. Das hat aber nicht viel mit Hollywood zu tun, sondern eher mit Schiffbruch und einsamer Insel.
    Was ich nie probiert habe, sind diese Methoden, wo man nach irgendwelchen Währungen berechnet, was man essen darf. Allerdings habe ich die dazugehörenden Produkte gegessen, und sie schmecken wie feuchter Vogelsand.
    Seit einigen Jahren setze ich stattdessen auf eine Diät, die von einem Herrn mit dem wunderbaren Namen Funfack ersonnen wurde. Sein revolutionäres Ernährungsprogramm sieht vor, dass man gedünstetes Gemüse, gedünsteten Fisch sowie Gemüse, Gemüse, aber auch gedünsteten Fisch, manchmal gedünstetes Hühnchen oder einen Apfel zu sich nimmt. Aber vor allem Gemüse, gedünstet. Alles wird ohne Fett hergestellt, und sie veranstalten ein enormes Wissenschaftsbrimborium rund um diese Diät. Ich musste dafür sogar Blut abgeben. Man nimmt übrigens tatsächlich ab, was kein Wunder ist bei diesem monatelangen spaßfreien Gedünste. Sobald man damit aufhört und sein Gemüse wieder frittiert, nimmt man zu, und alles geht von vorne los.
    In diesem Jahr möchte ich mal etwas anderes ausprobieren, weil mir dieses trostlose Dünsten und Harzerkäseknabbern auf die Nerven geht. Ich habe daher nach wissenschaftlichen Kriterien einen eigenen Speiseplan entwickelt, der aus jeder gängigen Methode nur das Beste enthält. Der Tag beginnt mit vier Mangos (Hollywood-Diät) und Rührei (Trennkost), mittags gibt es ein Steak (nach der Methode Montignac) mit Pommes (according to the famous Kartoffeldiät), zwischendurch ein paar Brigitte-Snacks und abends streng nach dem Grundsatz «Friss-die-Hälfte» genau einen halben Kasten Bier mit einem halben Glas Nutella. Wenn das funktioniert, schreibe ich ein Ratgeberbuch und werde so reich, dass ich mir den Magen verkleinern lassen kann. Und wenn das alles nicht hinhaut, bleibt mir ja noch die Ponal-Diät. Die ist super. Da darf man absolut keinen Holzleim essen.

Im Siedlerheim
    Ich bin, gerade in der staden Zeit, wahnsinnig gerne zu Hause. Aber leider pflegt Sara unsere sozialen Kontakte mit der sklavischen Hingabe, die eine verwitwete Pferdepflegerin einem Fohlen widmet, weil sie sonst ja auch nichts zu tun hat. Immer wenn man denkt: «Ach, wie geil, ich habe keine Verpflichtungen und kann mich völlig in meiner sozialen Inkompetenz entspannen», verkündet Sara Aktivitäten mit Freunden. Es ist, als könne sie Gedanken lesen. Dazu muss ich noch sagen: Ich habe im Prinzip nichts gegen Freunde, Freunde sind wie Verwandte eine feine Sache, jedenfalls in Maßen genossen.
    Ich hatte mir gerade einen Kaffee zubereitet und mit Blick aus dem Fenster beschlossen, für den Rest des Tages einfach mal nichts zu tun, da kam Sara mit zwei Einkaufstüten in den Händen und
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