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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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Lagerplatz weiter im Süden. Alles drängt auf uns zu. Argos auf SOS. Mit Proviant für 30 Tage gehen wir zurück. Nachts vom Helikopter rausgeholt.
    16.4.1995
    Wirsind 120 Kilometer vom Pol entfernt gelandet. –27 °C.
    Reise Moskau (14.4.)–Chatanga (15.40–Eisstation (16.4.). Diesmal sind wir zu viert (Martino, Victor, Hubert und ich). Es geht um die Erkundung von Eis, Klima, Wind usw. in Polnähe. Natürlich ist diese Reise kein Grenzgang, auch soll sie nur zehn Tage dauern.
    17.4.1995
    Marschtag zwischen vielen Leeds. Südostwind. Segeln ist eine ungeschickte Prozedur. An den Leeds muss alles abgespannt, auseinandergehängt, abgepackt werden. Wir kommen nicht weit, merken, wie schwierig das Eis in Polnähe ist.
    Unguter Tag. Wind aus Nordwest und schlechte Sicht. Wir laufen zwischen Pressure Ridges und Leeds herum. Später macht das White-out alles langsamer. Der große Schlitten ist Mist.
    Zurück. Starker Gegenwind. Wir sind zu langsam, obwohl wir 20 Kilometer am Tag schaffen. Aber alles ist gegen uns (Drift, Wind, Schlitten). Ob die Station zu finden ist, bleibt die Frage. Wir versuchen es.
    Rückmarsch. Wir finden eine völlig veränderte Welt vor. Mit großen Leeds und riesigen Pressure Ridges. Wind (sehr kalt) aus Südost. Später kommt Nebel auf. Ein Hubschrauber, der westlich von uns zum Pol fliegt, und Spuren einer anderen Gruppe bestätigen uns, dass wir auf dem richtigen Kurs sind. Lager zwischen Eisaufwürfen. Schlechte Sicht.
    Zurück in der Polarstation. Inzwischen sind eine Menge Leute da, alle irgendwo aufgepickt (per Heli) und hierhergebracht. Der Run zum Pol – wie auch immer – ist offensichtlich manisch. Am Abend kommen noch ein paar russische Popstars. Auch sie wollen weiter zum Pol. Auch ein Team von Fußballspielern.
    Im Camp. Immer noch viel Verkehr. Fußballspieler und Band gehen zurück. (Alle liegen halb erfroren, müde, schläfrig in den Zelten.)
    In der Drifting Station.
    Vier Kuppelzelte (1 × Funker, 1 × Pilot, 1 × Direktion, 1 × Arbeiter).
    Wir fliegen zum Nordpol und nach einem Besuch der Steger-Expedition zurück zur Drifting Station und gleich weiter nach Chatanga.

»Sich und seine Schatten (was man gerade glaubt) von außen beobachten.«
    Chaos und Kreativität
    W enn ich mich als Grenzgänger, als Spieler, als Halbnomade bezeichne, will ich nicht sagen, dass ich außerhalb der bürgerlichen Norm lebe. Alle meine »Nicht-Berufe« aber stehen für Kreativität. Diese ist nämlich eng verbunden mit Risiko, Spiel, Nomadentum.
    Als die Menschen sesshaft wurden, konnten mehr von ihnen ernährt werden. Und sie wurden reicher. Aber sie verloren an Kreativität. Nirgends können wir solche mehr tanken als in der Wildnis. Natur ist immer kreativ. Sie ist immer in Bewegung, immer neu.
    Wenn ich dann und wann im Rahmen von Seminaren (sogenannten Incentives, wobei Mitarbeiter motiviert, weitergebildet, informiert werden sollen) die Wildnis als eine Art »Abenteuerspielplatz für Führungskräfte« einsetze, so geschieht das bewusst. Es geht mir dabei nicht um »Outdoor-Training«, sondern um die persönlichen Grenzerlebnisse der Teilnehmer, um das Aufknacken ihrer Schale. Da Feedback in der freien Natur schneller eintritt als in der Arbeitswelt, brauche ich über Führungs- oder Teamfähigkeit, Selbstmanagement, Stressbewältigung dort nicht zu reden. Jeder, und zwar sofort (es besteht Handlungszwang!), erfährt die Grenzen seines Könnens, Planens, Handelns selbst. Rollenflexibilität tritt anstelle von gewohntem Hierarchieverhalten. Kreative Teams kommen dabei am weitesten.
    Die Natur stellt unausweichliche Bedingungen. Ihre Spielregeln sind nicht manipulierbar, unendlich vielfältig.
    In der Arbeitswelt verlieren viele von uns mehr und mehr die Beziehung zum Ergebnis ihrer Tätigkeit. Vor allem die schöpferische Beziehung zum Endprodukt geht verloren. Wir sitzen stundenlang am selben Schreibtisch, machen jahrelang dasselbe: dieselben Pläne, dieselben Rechnungen, dieselben Handgriffe. Alles läuft routinemäßig ab. In der Wildnis hingegen liegt der Reiz des Immer-wieder-neu-Erlebens. Ein Ausgefülltsein folgt. Beide Faktoren vermitteln uns – unbewusst vielleicht – die Vorstellung von unumstößlichen Richtlinien, von schöpferischer Arbeit und vollbrachter Leistung.
    Bei Indoor-Veranstaltungen dieser Art
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