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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer
Autoren: Phoenixfluch
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endlich. Vorerst.

3
    Wer sich über die Wirklichkeit nicht hinauswagt,
der wird nie die Wahrheit erobern .
    Friedrich Schiller
    H elena war erleichtert, als ihr erster Arbeitstag begann. Endlich sollte ihr nicht mehr die Zeit bleiben, über den mysteriösen Selbstmörder zu grübeln, wie sie es die letzten Tage immerzu getan hatte. Die Nächte waren noch schlimmer gewesen. Sie hatte sich beobachtet gefühlt, als schlichen im Schutz der Dunkelheit gestaltlose Geister um ihr Haus. Als hätten die Schuldgefühle und das Wissen, einen Fehler gemacht zu haben, ein Eigenleben entwickelt und beobachteten sie nun. Ohne ein Antlitz, dafür aus schwarzen, leeren Augen.
    Ihr Job versprach ein wenig Ablenkung. Zumindest erhoffte sie sich das, während sie auf dem Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle war, dem Notenhaus in Freiburg. Den Job und den damit zusammenhängenden Umzug hatte sie Cat zu verdanken. Sie hatte Toni Samucca, den Inhaber des Notenhauses, kennengelernt, da er eine Pflegestelle für Tiere unterhielt. Er hatte ihr die milchkaffeebraune Staffordshire Hündin vermittelt und bei der Gelegenheit erwähnt, dass er eine Verkäuferin für sein Musikgeschäft suchte. Helena war es wie ein Wink des Schicksals erschienen, sie hatte sofort zugesagt. Spontaneität gehörte zu ihrem Leben wie Pfefferminztee und die Musik der Beatles, daher war sie ohne Zögern von Mainz nach Denzlingen gezogen. Nah genug, um wegen des Benzinverbrauchs kein allzu schlechtes Gewissen zu bekommen, und weit genug von der Großstadt entfernt, um ein preiswertes Dreizimmerhaus am Waldrand zur Miete zu finden. Sie hatte ihr winziges Hexenhäuschen vom ersten Moment an ins Herz geschlossen. Viele altmodische Fotografien des Vorbesitzers hingen noch an den Wänden und fügten sich stimmig in Helenas Mobiliar ein, das im Kolonialstil gehalten war. Nur die Jagdtrophäen hatte sie im Keller untergebracht, und die zurückgebliebenen Schatten an den Tapeten hinter Wandlampen aus mattem Scavo-Glas versteckt.
    Cat liebte den Garten, der ohne einen Zaun direkt in den Wald überging.
    Der Oktobermorgen war frisch, aber sonnig, und die Stadt zeigte sich von ihrer schönsten Seite. Bunt getünchte Fassaden gepflegter Altbauten leuchteten im Morgenlicht und die über die Kopfsteinpflasterstraßen spazierenden Menschen schienen von Eile noch nie etwas gehört zu haben.
    Das Notenhaus lag abseits der historisch gehaltenen Altstadt, nahe dem Markplatz, mit seinem auffällig zinnoberrot gestrichenen Historischen Kaufhaus, in einer Einbahnstraße. Am Straßenrand fanden sich die für die Stadt bezeichnenden Wasserrinnen, die Freiburger Bächle. Der Bau entstammte dem frühen 19. Jahrhundert und gab durch ein Relief oberhalb der bogenförmigen Tür zu erkennen, dass er einst als Post gedient hatte.
    Helena parkte eine Straße weiter und schlenderte mit der angeleinten Cat zurück. Vor dem Eingang verharrte sie und bewunderte die torbogenähnlichen Schaufenster, hinter denen antike Geigen, eine Harfe und zwei moderne E-Gitarren so selbstverständlich nebeneinander auf dickem Samt arrangiert waren, als würden die dazugehörigen Musiker gleich um die Ecke kommen, die Instrumente aufheben und gemeinsam loslegen. Dass sie nicht zusammen harmonierten, schien undenkbar.
    Sie öffnete die Glastür und trat ein, von einem Glockenspiel begrüßt. Sogleich kam ihr eine schwarz gelockte Verkäuferin entgegen. Die Frau war schätzungsweise Ende zwanzig, ignorierte Helenas Lächeln und stieß stattdessen ein euphorisches „Süße!“ aus. Sie ging in die Knie und streichelte Cat, die sich bereits in eindeutiger kraul-mich-Pose auf den Rücken geworfen hatte.
    Für einen Moment stand Helena ratlos daneben und kam sich überflüssig vor, während die Schwarzhaarige ausgiebig den Hund begrüßte. Offenbar kannte man sich bereits. Endlich räusperte sich die Frau, richtete sich auf und reichte Helena die Hand.
    „Entschuldige“, lächelte sie verschämt. „Aber ich kenne Cat noch aus der Zeit, als Toni sie hatte, und hab mich so gefreut, sie wiederzusehen. Wie unhöflich von mir, dich nicht erst mal willkommen zu heißen. Ich bin Steffi, Stefanie Maler. Wir duzen uns hier aber alle, ich hoffe, das ist okay für dich?“ Eine Antwort wurde nicht erwartet, denn Steffi ließ Helena nicht zu Wort kommen. „Toni hat schon einiges von dir erzählt, du heißt Helena und kommst aus Mainz, richtig? Und wohnst ganz allein direkt am Waldrand. Ist ja ganz schön unheimlich, wie ich finde. Na
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