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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer
Autoren: Phoenixfluch
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schmerzende Gesicht in sein Lager aus Laub und verfluchte sich selbst, als hätte er von Flüchen noch immer nicht genug. Erde knirschte zwischen seinen Zähnen und schmeckte nach Asche.
    Seine Tasche war fort. Fantastisch. Ihm entwich ein Laut, der als zynisches Schnauben angesetzt war, jedoch eher klang wie ein Tier in den letzten Zügen. Ein seiner Würde beraubtes Tier in den letzten Zügen, korrigierte er sich. Warum hatte er es nicht schnell und sauber in seinem Haus erledigt, so wie er es fast immer tat? Der Hang zur Theatralik, der ihn manchmal überkam, würde irgendwann erneut eine Katastrophe heraufbeschwören. Einen weiteren Menschen ins Unglück zu stürzen, war das Letzte, was er wollte, doch vermutlich das Nächste, das er tun würde.
    Die Gedanken verließen seinen Körper in dem Maße, wie die Kraft langsam zurückkehrte. Sie flatterten acht Stunden zurück und entblößten zaghaft Bilder, die er lieber vergessen, oder noch besser, nie gesehen hätte. Das Mädchen. Die junge Frau und ihr Versuch, die Angst mit morbidem Humor zu maskieren, ließ ihn erst lächeln und im nächsten Moment schmerzvoll die Lippen zusammenpressen. Mühsam bewegte er den Arm und berührte seinen Handrücken. Doch seine Hand war rau, kalt und nass. Da war nichts von der sanften, langsam feucht werdenden Wärme, die ihm ihre Berührung am Abend zuvor gegeben hatte.
    Ihre Nähe war auf schreckliche Weise tröstlich gewesen. Er schämte sich für das Gefühl weit mehr als für die Tatsache, dass er nackt und hilflos – und darüber hinaus verflucht für die Ewigkeit – im Dreck lag.
    Sie hatte Angst gehabt. Angst um ihn, zum Teufel noch mal. Und er hatte ihre Nähe genossen. Was war er nur für ein egoistischer Bastard. Er schnaubte, und diesmal klang der Laut zynisch. Vermutlich war es unter seinen Umständen nur eine Frage der Zeit, bis man alle Welt mitreißen wollte, um nicht allein zur Hölle fahren zu müssen. Er schloss die Augen und wartete die quälenden Minuten ab, bis sein Körper in der Lage war, aufzustehen. Der Moment würde eher kommen, als ihm lieb war. Im nächsten Haus am Waldrand würde er in den Wäschekeller einbrechen müssen, um Kleidung zu stehlen. Sich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaften zu lassen, kam nicht infrage.
    Nicht zum ersten Mal an diesem Morgen schwor er sich, es in Zukunft nur noch zu Hause zu tun. Mit seiner Beretta. Ohne Wind und Regen auf der Haut, der sich mit viel gutem Willen anfühlte, als würde jemand seinen Tod betrauern. Ohne den an Friedhöfe erinnernden Duft der Kiefern und Fichten in der Nase. Ohne den Strom von Adrenalin in den Adern, der eine Lebendigkeit vorgaukelte, die zu verspotten das einzig Vernünftige wäre, und trotzdem nicht infrage kam. Ganz sicher aber ohne die fassungslosen, tröstlichen Blicke aus den petrolgrünen Augen barfüßiger Frauen.
    Schon seit Langem war ein gewisses Maß an Verzweiflung vonnöten, um die Dinge zu tun, die ihm noch etwas gaben. Der kurzeMoment vor dem Tod zählte dazu, denn er erfüllte ihn wider besseres Wissen jedes Mal aufs Neue mit einem Schwall Angst, die den leeren Teil seiner Seele ausfüllte und ihn für diesen Bruchteil einer Sekunde vergessen ließ, dass er nicht vollständig war.
    Er rief sich zur Vernunft. Geschehnisse wie am gestrigen Abend durften nicht mehr passieren, denn durch Leichtsinn wie diesen hatte er schon viele mitgerissen. Zu viele.
    Als wüsste er es selbst nicht gut genug, drängten sich die Erinnerungen siedend heiß durch jede Windung seines Gehirns. Es war gar nicht mal so lange her.
    Hannover, Dezember 1970
    Sein Arm lag um Andreas Schultern, um sie, so gut es ihm möglich war, vor dem eisigen Wind zu schützen, der spätes Herbstlaub den überfrorenen Gehsteig entlangwehte und ihren Mantel aufbauschte. Mit der freien Hand umfasste er ihre Finger und warf einen kurzen Blick auf die goldene Uhr an ihrem Handgelenk. Kurz vor neun, es blieb noch ein wenig Zeit.
    „Das Essen war wirklich wunderbar“, sagte sie behaglich und lehnte ihre Wange gegen seine Brust. „Und der Abend könnte noch so viel schöner enden, wenn du …“
    Er lächelte sie an und stupste mit dem Finger gegen ihre Nase. „Du hast es mir versprochen, Süße. Keine Diskussionen. Du verbringst die Nächte in deinem Bett. Ich in meinem.“
    „Ja, ja, ich weiß.“
    Sie schmollte und schürzte auf entzückende Weise ihre Lippen, die so voll und weich waren und ihn damit so schmerzhaft an ihre Brüste erinnerte, dass er
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