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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden
Autoren: Petra Hammesfahr
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Szenen hin und her wälzte und nicht einmal mehr die Schrift auf dem Bildschirm erkannte. Nach außen hin taten wir so, als sei alles in Ordnung. Wir schliefen sogar miteinander. Wenn ich dann wieder weg musste und er sich von mir verabschiedete:
    »Ich werde dich vermissen, Liska, ich werde dich sehr vermissen.« Dann hatte ich das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Eine Lesung nach der anderen und immer viel Publikum. Meist musste ich im Hotel übernachten, kam erst am nächsten Tag heim. Die in Frankfurt begann ausnahmsweise schon um vier am Nachmittag. Das hatte ich zu Hause niemandem erzählt.
    Bei der Diskussion fragte mich jemand, ob ich tatsächlich der Meinung sei, jeder Mensch wäre imstande zu töten. Oder töten zu lassen, vom Freund oder einer Freundin, nach dem Motto, eine Hand wäscht die andere, dann haben wir beide saubere Hände. Und ein Alibi! Ich hatte aus
    »Rote Träume« gelesen, meinem ersten großen Roman. Ursprünglich waren es mehrere Kurzgeschichten, die nichts miteinander zu tun hatten, sich nur alle um den gleichen Kern drehten. In jeder war eine Frau die Hauptfigur, eine betrogene, enttäuschte, verbitterte, gedemütigte Frau, die sich endlich zum Handeln entschloss.
    Vor vierzehn Monaten war ich zum ersten Mal nach München gefahren für ein persönliches Gespräch mit einem Verleger, Dierk Römer. Er betrieb einen kleinen, aber finanzstarken Verlag, der allerdings auf Fachbücher spezialisiert war. Nun wollte Dierk Römer vom bewährten Konzept abweichen und es einmal mit Belletristik versuchen. Ich war ihm und er war mir empfohlen worden.
    Aber er war nicht interessiert an meinen Storys. Es musste etwas Besonderes sein für den Schwenk in die neue Schiene. Er gab mir den Rat, einige der Kurzgeschichten miteinander zu verflechten, sodass eine fortlaufende Handlung entstand. Ich habe meine Heldinnen durch eine gemeinsame Schulzeit verbunden. Anlässlich eines Klassentreffens sehen sie sich nach zwanzig Jahren wieder. Jede ist verheiratet oder lebt mit einem Mann zusammen, einige haben neben dem festen Partner einen Liebhaber. Doch keine ist glücklich, jede leidet auf die eine oder andere Art. Und keine schafft es, ohne fremde Hilfe den Schlussstrich zu ziehen. Da tun sie sich eben zusammen, um sich von ihren Männern zu trennen. Auf endgültige Weise. Sie bringen sie um. Zugegeben, es ist eine radikale Lösung. Es hätte auch andere gegeben. Aber für einen Spannungsroman bietet eine Ehescheidung oder ein Rauswurf nicht genügend Stoff. Und manchmal hat man das Gefühl, es geht nur auf die endgültige Art. Es gibt Männer, von denen kann man sich nicht anders trennen. Man kann sie nicht leben lassen, weil man nicht von ihnen loskommt, solange sie leben.
    Weil man verrückt nach ihnen ist, sie abgöttisch liebt, obwohl man an ihrer Seite unentwegt auf einem Drahtseil tanzt. Es ist ein scharfes Seil, es zerschneidet die Fußsohlen und die Selbstachtung. Und dann fragt mich dieser Mensch in Frankfurt, ob ich tatsächlich der Meinung sei. Er war ein älterer Mann. Es hat mich gewundert, dass er bei solch einer Veranstaltung dabeisaß. Vermutlich hatte seine Frau ihn mitgeschleift. Er war einer von der gutmütigen und etwas schwerfälligen Sorte, rundlich und rosig, ein netter, kleiner Herr Biedermann.
    Natürlich habe ich nein gesagt, weil ich mir gar nicht vorstellen konnte, noch einmal ohne Béla zu leben. Gelächelt habe ich und erklärt, dass es doch nur ein Roman ist. Und wenn ich eines Tages schreiben sollte, dass kleine blaue Männchen die Erde einnehmen, sei ich ja auch nicht der Meinung, dass wir in Kürze mit einer Invasion zu rechnen hätten. Über kleine blaue Männchen werde ich wohl nie schreiben. Ich hatte auch nicht vor, über Béla und mich zu schreiben. Aber inzwischen ist mir klar, dass ich seit Jahren nichts anderes getan habe.
    Béla Szabo, ich habe ihn so geliebt. Ich liebe ihn immer noch. Ich hätte ihn nie verlassen können, hätte alles getan, damit er bei mir bleibt. Was heißt, ich hätte? Ich habe alles getan. Ich habe ihm sogar die Sache auf dem Tisch verziehen. Das heißt, ich hätte! Wenn es dabei geblieben wäre. Aber ich wollte nicht, dass er stirbt, erschossen wird, während ich im Zug sitze. Er war ein Mistkerl auf seine Art, aber ein lieber, ein Traum. Das war er wirklich, der absolute Traum einer Frau. Als ich ihn kennen lernte, war ich dreißig und hielt mich für sehr erfahren im Umgang mit Männern. Ich hatte schon einiges erlebt und dachte, es
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