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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders
Autoren: Rainer Dresen
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gehen ja sogar positive Schwingungen von meiner Vorgängerin auf mich mit über, die ich als Novize auch dringend benötige.

    Endlich vorschriftsgemäß ausgestattet - unter mir die Matte, neben mir griffbereit Decke, Band und Block - sehe ich mich im Raum um. Vorne befindet sich eine Art Hausaltar mit Buddha-Figur, Klangschale, Duftkerze, Räucherstäbchen sowie kleinen Fotos fröhlicher, asiatisch aussehender Menschen. Auf dem Fußboden steht ein harmoniumartiges Instrument mit Blasebalg. Oha, Musik wird es also auch geben, darauf hat mich niemand vorbereitet. Ohne mich, das sollen die mal alleine machen, ich halte mich da raus, gesungen wird nicht, ist mein fester Entschluss.

    Die Yoga-Lehrerin betritt den Übungsraum. Sie ist dünn und muskulös und trägt, wie offenbar verbindlich im Ausbildungsprogramm für Yoga-Lehrerinnen vorgesehen, Zehenring und diverse Tätowierungen, dazu eine weite lila Pluderhose und ein weißes Top. Sie fragt, wer zum ersten Mal hier sei. Sofort hebe ich die Hand, was soll mir dadurch schon Schlimmes passieren? Wenn ich mich nicht melde, wird sie es ohnehin merken, sobald ich mich zum ersten Mal ungeschickt anstelle. Ein sanftes Kopfnicken zeigt, dass ich registriert bin.
    Die Stunde beginnt. Dazu sitzt die Lehrerin aufrecht mit verschränkten Beinen an der Stirnseite des Raumes, wir sitzen ebenfalls mit verschränkten Beinen und so aufrecht es eben geht auf unseren Yoga-Matten und sind ihr dabei, wie sich das für Schüler der Lehrerin gegenüber gehört, zugewandt. Dann geht es auch schon los. Sie produziert, auf dem Boden kniend, mit einer Hand auf der Tastatur des kleinen Harmoniums und mit der anderen Hand auf dessen Blasebalg indisch anmutende Klänge und singt dazu vermutlich passende, für mich aber völlig unverständliche Töne. Zum Abschluss intoniert sie in drei
verschiedenen Tonlagen klischeegemäß ein „Om“, das bei ihr klingt wie „A“und „O“und „M“. Ich komme mir vor wie in einer alten Spiegel-TV-Reportage über Bhagwan-Veranstaltungen, fehlt nur noch, dass gleich der Guru mit einem pinkfarbenen Rolls-Royce zur Visite vorbeirollt. Aber es ist schon sehr eindrucksvoll, dass fast alle Teilnehmerinnen mitsingen können und wollen. Offenbar handelt es sich um ein eingeübtes Ritual.
    Dann falten wir die Decke zusammen und legen sie als Kopfkissen auf die Matte und uns darauf. Wir schließen die Augen und sollen uns entspannen. Das klingt ja anstrengend, ich kam doch schon entspannt an, sonst würde ich das alles mental gar nicht aushalten, denke ich. Wann geht es endlich los mit der richtigen Gymnastik?

    Zuerst aber müssen wir den Yoga-Block auf die Matte und uns mit dem oberen Ende der Schulterblätter darauflegen. Das soll die Entspannung noch weiter vorantreiben, bringt mich aber ins Grübeln: Sich zur Entspannung auf ein Korkklötzchen zu legen, kommt mir so vernünftig vor, wie sich zum Aufwärmen in den Kühlschrank zu setzen. Was kommt wohl als Nächstes?
    Immerhin haben sie hier keine Kühlschränke, und irgendwann später dürfen wir uns auch wieder aufsetzen, dieses Mal mit dem Block als Sitzhilfe unter dem Steißbein. Bequemer aber wird auch das nicht. Ich war darauf gefasst, dass Yogis gerne mit gekreuzten Beinen auf dem Boden sitzen. Diesen Lotossitz praktiziert hier aber niemand, seltsam, das hatte ich anders erwartet und auch schon insgeheim geübt. Sodann erhalten wir Anweisungen, wie wir zu atmen haben. Mich, der ich gewohnt bin, bei jeder Art von Sport zum Zwecke größtmöglicher Sauerstoffaufnahme durch den Mund zu atmen, stellt das vor
ganz neue Herausforderungen.Yogis benutzen den Mund offenbar nur zum Om-Singen. Geatmet wird durch die Nase. Wir lernen also, wie wir langsam und gleichmäßig durch die Nase ein- und ausatmen. Dabei sollen wir, ein lustiger Ausdruck, wie ich finde, „die Stimmritze“verschließen. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Nach ein wenig Üben schaffe ich es aber tatsächlich, dass sich meine Ausatmung vorschriftsgemäß wie ein lang gezogener, leiser und vorwurfsvoller Seufzer anhört.
    Die nächste Atemübung, Kapalabhati, hat die Besonderheit, dass die Luft beim Einatmen bis in den Bauch gezogen wird. Beim Ausatmen wird die Luft aus dem Bauch herausgepresst und durch die Nase ausgestoßen. Richtig praktiziert klingt das eher unappetitlich, gerade so, als würde man sich kräftig die Nase schnäuzen. Wenn das 30 Menschen in einem Raum gleichzeitig machen, klingt es definitiv sehr seltsam.
    Dann
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