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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders
Autoren: Rainer Dresen
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ihn niemand dabei beobachtet.
    Die heimliche Werbung war erfolgreich. Mehr als 60 Kolleginnen und immerhin drei Kollegen versammelten sich eines Freitagnachmittags im Halbkreis um den Schauspieler. Vom ersten Wort an hing das Publikum an seinen Lippen, was vielleicht nicht ausschließlich dem Thema Yoga, sondern auch der Person Ralf Bauer geschuldet war: „Der könnte auch aus dem Telefonbuch vorlesen, und die Leute wären begeistert“, lautete eine repräsentative Meinungsäußerung aus der Schar der Zuschauerinnen.
    Der fachkundige Teil des Publikums beschränkte sich aber nicht aufs Zuschauen und Zuhören, sondern beteiligte sich aktiv und erstaunlich geschickt an den vorgestellten Übungen, deren Bezeichnungen ich erst viel später erfahren sollte und zu deren Ausübung ich mich damals noch nicht herablassen wollte. Diese Bedenken hatte ich aber exklusiv, zahlreiche Anwesende folgten den Kommandos von Ralf Bauer und begaben sich in Positur. Keiner der Zuschauer konnte sich erinnern, außerhalb der Weihnachtsfeier
jemals zuvor so viele Kolleginnen im Foyer gesehen zu haben, die in Halbekstase die Arme reckten oder fröhlich mit vor der Brust gekreuzten Händen auf einem Bein standen, und allenfalls bei einer dieser nervigen Feueralarmübungen wird man jemals wieder so viele Menschen sehen, die sich in Superzeitlupe durchs Gebäude bewegen. Den Mitmachaufforderungen des Künstlers tapfer widerstehen wollten schließlich nur noch mein Assistent und ich, die wir vor Ort eigentlich nur unserem generellen Fürsorge- und Überwachungsauftrag für die weiblichen Kolleginnen nachkommen wollten. Bei dieser Gelegenheit erinnerte sich Ralf Bauer aber an meine vollmundige Behauptung, Kopfstand zu können. „Hier im Raum ist jemand, der behauptet, den Yoga-Kopfstand zu beherrschen. Ich bitte ihn jetzt auf die Bühne.“Dabei schaute er in meine Richtung, und ihm folgend alle Anwesenden. Auch ich drehte mich suchend nach hinten um, aber hinter mir stand lediglich eine Säule. Offenbar war ich gemeint.
    Diese öffentliche Einladung schaffte eine perfekte Lose-lose-Situation. Was ich jetzt auch machen würde, ich konnte nur verlieren. Würde ich mich weigern, nach vorne zu kommen, wäre ich ein Spielverderber. Würde ich den Kopfstand versuchen, aber scheitern, wäre ich die Lachnummer des Verlags, würde ich es schaffen, wäre ich ein Angeber. Unter den skeptischen Blicken des Publikums und schon vor der Übung leicht errötet lief ich zur Bühne. Dort kniete ich zwar nicht vor, aber doch neben Ralf Bauer demütig nieder, was nicht nur dem Respekt vor seiner schauspielerischen Lebensleistung, sondern auch der Vorbereitung auf die Übung geschuldet war. Nach zwei peinlichen Fehlversuchen schaffte ich es dann doch in die Höhe. Das dabei aufgenommene Foto verschleiert diese vorbereitenden Bemühungen dezent und hat Ralf Bauer offenbar so gut gefallen, dass er es noch heute auf seiner
eigenen Yoga-Webseite verwendet. Damit verletzt er zwar mein grundgesetzlich geschütztes Recht am eigenen Kopfstandbild, bei einem Treffen auf der Buchmesse aber habe ich ihm voller Dankbarkeit die lebenslangen Nutzungsrechte am Foto eingeräumt. Schließlich war er es, der mir zeigte, dass die Kombination Mann und Yoga kein unauflöslicher Widerspruch sein muss. Eine Erkenntnis, die nachfolgend zu interessanten Einblicken und lustigen Erlebnissen führte, die mein Leben in eine andere Richtung brachten.

Das erste Mal
    Um nicht völlig unvorbereitet in meine erste Yoga-Stunde zu gehen, habe ich mich im Internet über das korrekte Verhalten in einer Yoga-Schule informiert.
    Ich lese dort, dass man drei Stunden vor dem Kurs keine großen Mahlzeiten einnehmen und nicht viel trinken solle. Das klingt irgendwie seltsam. Gleich drei Stunden vorher keine Nahrung aufnehmen, um die inneren Organe zu entlasten? Warum nur? Derartiges wird von Männern sonst nur vor den ab 40 empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen beim Internisten verlangt. Immerhin - und dort endet die Parallele zum Arzt auch schon wieder - muss man vor der ersten Yoga-Stunde offenbar keine Stuhlprobe einreichen.

    Außerdem lese ich, dass es sinnvoll sei, vor dem Yoga auf die Toilette zu gehen. Das überrascht mich weniger, das ist in vielen Lebenslagen ratsam. Da wäre ich vermutlich auch von selbst draufgekommen. Das kann ich einrichten. Konkrete Zeitvorgaben gibt es für den Toilettengang allerdings nicht, er ist also wohl auch kurz vor Beginn erlaubt.
    Weiter erfahre ich, dass man die
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