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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders
Autoren: Rainer Dresen
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verbrachten diese Frauen vermutlich in Jane-Austen-Lesezirkeln und Strickgruppen und damit eher am Rande meiner persönlichen Wahrnehmungsschwelle.

    Spätestens aber als mir vor ein paar Jahren meine damalige Freundin Annika mitteilte, dass sie künftig nicht mehr mit mir ins trendige In-Fitnessstudio auf der Münchner Leopoldstraße, sondern mit ihrer Mutter in ein kleines Hinterhof-Yoga-Studio gehen werde, wurde ich hellhörig. War unsere Beziehung in einer Krise? Oder hatte ich da eine gesellschaftliche Entwicklung verpasst? Wie kann es sein, dass man neuerdings auch als junge und attraktive Münchnerin ohne Gefahr sich zu blamieren, noch dazu mit der zugegebenermaßen sehr jung gebliebenen Mutter, zu Yoga-Kursen gehen kann? Weiß denn niemand mehr, wie verheerend Frau Zebroff einst wirkte und diese Art der Betätigung für immer diskreditierte? Gilt denn nicht mehr, was ich für immer festgeschrieben wähnte:Wer mit Yoga anfängt, hat seine besten Jahre hinter und nur noch die Rente vor sich.
    Neugierig geworden bat ich Annika, mir zu erzählen, was man in einem dieser neumodischen Yoga-Kurse so macht. Seltsam, was sie berichtete, klang ganz anders als bei Kareen Zebroff. Ich erfuhr von meditativen Ruhephasen
vor und nach den eigentlichen Kursen, bei denen Annika gelegentlich als Zeichen tiefster Entspannung einschlief oder, ausnahmsweise einmal wach geblieben, statt an die nahe Erleuchtung an die noch nähere Abendmahlzeit dachte, da man vor dem Yoga-Unterricht stundenlang nichts essen soll und sie am Ende des Kurses immer Heißhunger hatte. Ich hörte zum ersten Mal davon, dass man bei den Yoga-Stunden in Socken oder gar barfuß turnt. Annika zeigte mir auch, wie die Yoga-Figur des Rades aussieht und wie man mit den Füßen die Wand hochläuft, um Kopf- und Handstand zu üben, was zumindest bei ihr sehr interessant aussah.
    Von ihr erfuhr ich auch, dass unter Yogis der Kopfstand als Königsdisziplin gilt. Den immerhin hatte ich schon einmal im Fernsehen gesehen. Das war diese kuriose Übung, bei der man mit gefalteten Händen den Hinterkopf stützt. Mit typisch männlicher Herablassung behauptete ich, ihn zu beherrschen, auch wenn ich ihn noch nie geübt hatte. Annika schaute bei meiner Ankündigung allenfalls leicht interessiert von ihrer Yoga-Zeitschrift auf und entgegnete: „Na gut, dann mach ihn halt, du wirst ja vorher eh keine Ruhe geben.“Ich kniete nieder und umfasste, so wie ich das mal im Fernsehen gesehen hatte, mit gefalteten Händen meinen Hinterkopf und setzte die Ellbogen auf den Boden, um mich tatsächlich, nach anfänglicher kippeliger Unsicherheit, in den Yoga-Kopfstand hochzustemmen. Annika zog immerhin eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen in die Höhe, war aber trotzdem kaum beeindruckt. Vermutlich brachte es unsere Beziehung nicht wirklich nach vorne, dass ich ihre ausdauernden Yoga-Bemühungen auf diese scheinbar beiläufige Art als unbedeutend abtat, so nach dem Motto:Wenn ich will, bekomme ich das auch hin.
    Nicht lange, nachdem ich auf diese Weise gezeigt hatte,
dass mir jeder Einblick in die Yoga-Philosophie und in die yogisch geprägte Form der weiblichen Psyche fehlte, beendete sie nicht nur ihre Yoga-Praxis, sondern, und das kam mir etwas übertrieben vor, auch gleich unsere Beziehung. Wenn dieses Buch erscheint, wird Annika mit ihrem neuen Freund, der vermutlich kein Yoga praktiziert, allem Anschein nach glücklich und jedenfalls für längere Zeit am anderen Ende der Welt sein. Meine mittlerweile erfolgte Wandlung zum Yogi, von der ich ihr berichtete, führte zu heftigem Hochziehen gleich beider Augenbrauen.

    Seit meinem ersten Kopfstand in Annikas Wohnung verging weniger als ein Jahr, bevor ich wieder, dieses Mal nachhaltig, auf Yoga aufmerksam wurde. In dieser Zeit häuften sich Gespräche mit Kolleginnen, die ungefragt und restlos begeistert von ihren jeweiligen Yoga-Erlebnissen berichteten. Ob eine Kollegin, die sich sonst nüchtern-sachlich als EDV-Expertin des Verlages mit technischen Aspekten beschäftigt, ob die Kollegin, die wunderschöne Kunstbücher lektoriert, oder eine Exkollegin, die mittlerweile einen großen Taschenbuchverlag leitet und mir vielleicht böse ist, wenn sie erfährt, dass ich dieses Buch nicht bei ihr veröffentlicht habe: Sie alle schwärmten im Gespräch von ihrer regelmäßigen Yoga-Praxis. Alle drei sind wunderbare, attraktive und interessante Frauen und gute Bekannte. Nie hätte ich gedacht, dass ausgerechnet sie sich für das in meiner
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