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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord
Autoren: Léo Malet
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Faroux hatte ich mir zu Unrecht
Sorgen gemacht. Ob er nun an die Richtigkeit des Geständnisses von Olga
Maîtrejean glaubte oder nicht, er konnte gar nicht anders, als die Sache in der
Rue Carducci zu überprüfen. Diesmal wußten seine Leute, in welcher Richtung sie
nachzuforschen und welche Fragen sie an wen zu stellen hatten. So dauerte es
nicht lange, bis sie sich davon überzeugt hatten, daß die Schauspielerin die
Wahrheit gesagt hatte. Die Wirkung der Ursache: Wenn man noch nie soviele Flics
in den Studios am Buttes gesehen hatte wie am Montagnachmittag und am Dienstag,
so war am Mittwoch keiner mehr dort zu sehen.
    Ich war am Zug.
     
    * * *
     
    Mit leichtem Herzklopfen betrat ich
Mittwochnachmittag das Fernsehgebäude in der Rue Carducci. Ich ging so
selbstsicher an dem Glaskasten des Portiers vorbei, daß er es nicht wagte, mich
zu fragen, wohin ich denn wolle. Ich ging durch einen langen, kalten Flur, in
dem meine Schritte widerhallten. Dann überquerte ich einen Hof und gelang zu
mehreren baufälligen Gebäuden, die neben den modernen Bauten wie eine schäbige
Kulisse wirkten. Der hilfsbereite Jacques Mortier, den ich ein letztes Mal
angezapft hatte, hatte mir präzise topographische Informationen gegeben. Ich
stieg mehr oder weniger gangbare Treppen hoch und gelangte schließlich, im
Herzen einer verbotenen Zone, zu dem Korridor, der Dolguet zum Verhängnis
geworden war. Am Ende des Korridors sah ich die Tür, die in eins der
Requisitenlager führte.
    Als der Rauch (zuerst) und die Flammen
(danach) den Fernsehtechniker und Geliebten der Ansagerin in die Enge getrieben
hatten, war er in diesen Korridor gerannt.
    Warum?
    Wenn der größere der beiden Schlüssel,
die ich von Madame Dolguet mitgenommen hatte, diese Tür öffnen würde, hätte ich
die Antwort.
    Mit klopfendem Herzen steckte ich ihn
in das Schloß. Es knirschte ein wenig, und ich mußte einen ziemlich starken
Druck ausüben, aber schließlich drehte sich der Schlüssel. Mein Herz machte
Luftsprünge. Kein Zweifel: Dolguet hatte den Schmuck von Madame Alderton in
diesem „zweckentfremdeten“ Lager versteckt. Und als er seine Beute vor dem
Feuer in Sicherheit bringen wollte, hatte er den Tod gefunden.
    Ich schob die Tür auf und schlüpfte in
den dunklen Raum, in dem es muffig und nach Staub roch. Ich drehte den
Lichtschalter. Irgendwo in einem Winkel ging eine schwache Glühbirne an und
warf ein wenig Licht auf das abenteuerliche Wirrwarr mehr oder weniger gut
erhaltener Möbelstücke aller Art und jeden Stils. Der andere Schlüssel, den ich
in der Tasche hatte, der kleinere, mußte logischerweise zu einem der Schlösser
passen. Aber zu welchem? Das richtige in dieser Rumpelkammer zu finden, war
völlig ausgeschlossen.
    Verzweiflung beschlich mich, als mein
Blick auf drei Büfetts Henri II. fiel, die aus dem Haufen herausragten.
Plötzlich kam mir ein Satz von Madame Dolguet wieder in den Sinn: „Henri und
du, ihr seid zwei“, hatte sie einmal zu ihrem Mann gesagt, was bei ihm einen
Wutanfall und dann ein idiotisches Gelächter hervorgerufen hatte. Sollte nun
zufällig...
    In meinem Kopf arbeitete es
fieberhaft. Wenn Dolguet den Schmuck in einem dieser Büfetts versteckt hatte, konnte
er den Satz seiner Frau als Anspielung auf sein geheimes Versteck aufgefaßt
haben. Das hatte ihn wütend gemacht. Doch dann war er sich schnell klar darüber
geworden, daß zwischen den Worten seiner Frau und dem Versteck unmöglich ein
Zusammenhang bestehen konnte. Die Beute wartete an dem geheimen Ort darauf, daß
der Raub in Vergessenheit geraten würde und man den Schmuck zu Geld machen
könnte! Dieser Gedanke hatte Dolguet über die Maßen erheitert. Ja, Henri (sein
Kollege vom Fernsehen) und er, sie waren wirklich zwei! Und das dank des
Büfetts Henri (ebenfalls zwei!). Dolguet hatte sich über die unfreiwillige
Komik des Ausspruchs seiner Frau köstlich amüsiert. Ein richtiger Schlauberger,
dieser Dolguet, und dazu ein Witzbold! Eins von beiden war ich ebenfalls.
Entweder, meine Schlußfolgerungen waren richtig, oder aber sie waren ein
einziger Witz. Es war nämlich gut möglich, daß ich das Opfer eines
Interpretationsdeliriums geworden war. Kein Wunder bei all dem Zeug, das mein
armer Kopf in der letzten Zeit zu verdauen gehabt hatte...
    Auf keinen Fall jedoch konnte eine
Überprüfung meiner Hypothese schaden. Zumal die Büfetts relativ leicht zu
erreichen waren. Während ich noch das Für und Wider abwägte, war ich schon
mittendrin im
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