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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord
Autoren: Léo Malet
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hatten, gaben wir uns die Hand, beide hocherfreut über
unser eigenes erfreutes Gesicht, und dann begleitete ich sie hinaus. Dazu
mußten wir Hélènes Zimmer durchqueren. Meine Sekretärin sah den Fliegen beim Fliegen
zu. Als sich die Eingangstür hinter unserer Besucherin geschlossen hatte,
forderte ich Hélène auf, sich ans Fenster zu stellen und statt der Fliegen
Mademoiselle Pellerin zu beobachten. So konnte sie erleben, wie das ist: eine
Lügnerin von hinten zu sehen.
     
    * * *
     
    Am selben Tag noch holte ich einige
Erkundigungen über meine hübsche Märchenerzählerin ein. Immerhin ließ sich
sagen, daß sie nicht bösartig, sondern eher harmlos war. Ihr Debut beim
Fernsehen vor relativ kurzer Zeit war nicht grade ermutigend gewesen. Und es
hatte sie auch niemand ermutigt. Im Gegenteil, die Kritiker waren sofort über
sie hergefallen. Nichts hatte man ihr durchgehen lassen: ihre Schüchternheit,
ihre mangelhafte Aussprache, ihre etwas linkischen Bewegungen. Doch das war inzwischen
vergeben und vergessen. Mit der Zeit hatte sie ihre Mängel behoben, und nun
erledigte sie ihre Arbeit als Fernsehansagerin zur vollsten Zufriedenheit, ohne
daß man allerdings von einem Naturtalent sprechen konnte. Sie galt als
ehrgeizig, ja sogar als karrieresüchtig.
     
    * * *
     
    Am Nachmittag des folgenden Tages fuhr
ich zu den Fernsehstudios am Parc des Buttes-Chaumont. Ich hatte Mühe, einen
Parkplatz zu finden, so viele Autos standen in der Rue Carducci. Schließlich
gelang es mir, meinen Dugat 12 auf dem Seitenstreifen zwischen einen
bescheidenen Dauphine und einen nagelneuen Oldtimer zu quetschen. Kaum
hatte ich einen Fuß aufs Pflaster gesetzt, da hörte ich auch schon meinen
Namen. René Lucot, der Regisseur, überquerte in Begleitung eines jungen Burschen
mit fuchsrotem Schnäuzer und Plattfüßen die Straße und steuerte auf die Tele-Bar zu.
    „Burma!“ rief er fröhlich. „Na so was!
Was führt dich her? Willst du Loursais mit guten Ratschlägen versorgen? Er
bereitet nämlich grade seine nächsten , Letzten Fünf Minuten ’ vor...“
    Claude Loursais kannte ich noch aus
der guten alten Zeit des Café Flore.
    „Bin hier vorbeigekommen“, erwiderte
ich, „und da dachte ich, schau doch mal bei den alten Kumpels rein.“
    „Gute Idee“, lobte mich René und legte
seine Stirn über der Brille nachdenklich in Falten. „Komisch, so sehr
überrascht es mich gar nicht, dich hier zu sehen. Hab vor kurzem noch deinen
Namen gehört, glaube ich.“
    „Hast mich vielleicht mit Barma
verwechselt“, scherzte ich, obwohl ich das Gefühl hatte, daß sich der Scherz so
langsam abnutzte.
    René Lucot stellte mich seinem
plattfüßigen Begleiter vor. Montbazin, vom France-Soir. Wir gaben uns
die Hand, wobei der Journalist mich mit einem komplizenhaften Augenzwinkern
anlächelte. Er schien mit meinem Namen ‘ne ganze Menge anfangen zu können.
Gemeinsam betraten wir die Tele-Bar, stellten uns an die Theke und
fingen an, über dieses und jenes zu plaudern. So erfuhr ich, daß Lucot zur Zeit
ein Fernsehspiel drehte, das ein gewisser Larville im Argot geschrieben hatte.
Der Regisseur schlug mir vor, doch einen kurzen Blick auf seinen Arbeitsplatz
zu werfen, und wir verließen das Bistro. Der Journalist hielt sich weiter an
der Theke fest. Als wir an dem schon erwähnten Oldtimer vorbeigingen, konnte
ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß man beim Fernsehen ganz hübsch
verdienen müsse, wenn man sich einen so aufsehenerregenden Schlitten zulegen
könne.
    „Moment mal!“ protestierte Lucot
lachend. „Der Schlitten, wie du ihn nennst, gehört tatsächlich zu Lydia
Orzy, meinem Star. Aber er gehört nicht ihr, sondern dem Glückspilz, der mit
ihr schläft. Der Kerl ist stinkreich, hat ‘ne Restaurantkette oder so was
Ähnliches. Manchmal bringt er sie zur Arbeit oder läßt sie von seinem Chauffeur
herfahren. Du siehst, mit dem Fernsehen hat das nichts zu tun.“
    Indem wir so daherplauderten, betraten
wir die Gebäude des ORTF und gingen in das Studio für Fernsehspiele. Sechs
Personen waren anwesend, von jedem Geschlecht drei. Zwei der Frauen, eine
falsche Rothaarige und eine relativ echte Brünette, beide recht nett anzusehen
(später erfuhr ich, daß es sich um Lydia Orzy und Olga Maîtrejean handelte und
daß sie sich die Starrolle in Lucots Produktion streitig machten), zwei der
drei Frauen also standen sich gegenüber und schrien sich wie Fischweiber an.
Die dritte Rockträgerin (die allerdings eine Hose
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