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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord
Autoren: Léo Malet
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trug) und ein kleiner Dicker
in einem zu knappen Anzug saßen nicht weit von den beiden Furien entfernt und
verglichen kopfschüttelnd den gesprochenen Text mit dem Drehbuch. Die beiden
Schauspielerinnen schrien sich an, so als trügen sie einen persönlichen Streit
aus. Die zwei übrigen Personen, ebenfalls Schauspieler, gingen im Hintergrund
auf und ab und übten ihre Rolle ein. Unser Auftritt beendete sämtliche
Aktivitäten. Gutgelaunt fragte Lucot, ob sie gut vorankämen. Ja, antwortete das
Skriptgirl. Der Dicke stand auf und kam auf seinen Regisseur zu.
    „Der Meinung bin ich ganz und gar
nicht“, sagte er leise, aber mürrisch. „Wie die den Text verhunzen! Das gibt
‘ne Katastrophe! Na ja... Was anderes: Ich habe vor, den Ansagetext im Argot zu
verfassen. Das wär mal etwas origineller als die übliche Leier. Was halten Sie
davon?“
    „Gute Idee“, stimmte mein Freund ihm
zu.
    Da er den Stückeschreiber schon mal
zur Hand hatte, stellte er ihn mir vor. Larville. Sehr erfreut. Wir beeilten
uns, unsere Mikroben per Händedruck auszutauschen. Dann rief Lucot, ganz Chef
im Ring:
    „Noch einmal von vorn, Kinder!“
    Und noch einmal schnauzten sich die
zwei Hübschen an, daß es nur so eine Freude war. Um den vorgeschriebenen Text
kümmerten sie sich offenbar herzlich wenig. Nach einer Weile zog ich mich
zurück. Auf dem Flur lief mir Montbazin über den Weg, der plattfüßige
Schnauzbart vom France-Soir. Lächelnd, aber mit einem so offenen Blick
wie ein in die Enge getriebener Esel, schoß er auf mich zu:
    „Ah, M’sieur, ‘tschuldigen Sie, aber
ich wollte Sie fragen, was es mit einem gewissen Gerücht auf sich hat..
    „Nämlich?“
    „Sie sind nicht zufällig der
Leibwächter von Françoise Pellerin? Sie soll Morddrohungen erhalten haben...?“
    „Im Ernst? Wer hat Ihnen das denn
erzählt?“ fragte ich zurück.
    „Tja... Wissen Sie, schließlich bin
ich Journalist, oder?“
    „Könnte es sein, daß Sie die
Information von der Hauptbetroffenen persönlich erhalten haben?“
    „Ah... Ein Gerücht, wie gesagt...“
    „Und hier ein Rat: Hüten Sie Ihren
Riecher, sonst erkälten Sie sich noch womöglich!“
    Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen.
Verdammt! Wenn ich mich von der Ansagerin auf den Arm nehmen ließ, so war das
mein Bier. Aber daß diese Schwindlerin einen Typen wie Montbazin an dem
Spielchen beteiligte, paßte mir nicht. Sicher, diese halbe Portion von
Zeitungsschreiber hatte mir nichts getan, aber ich konnte ihn irgendwie nicht
riechen. Das Klügste würde bestimmt sein, mir die Sache so schnell wie möglich
vom Hals zu schaffen.
    So in Gedanken versunken, gelangte ich
zu der Treppe, von der meine scheinheilige Klientin gesprochen hatte. Hier
sollte also eine Telefonistin sitzen, die mir den Weg zu der bedrohten
Ansagerin weisen würde. Als ich den verglasten Käfig betrat, schikanierte
besagte Telefonistin die Vermittlungsanlage. Ich fragte sie, wo ich
Mademoiselle Pellerin finden könne.
    „Ach, Sie sind sicher Nestor Burma,
nicht wahr?“ erwiderte sie, wobei sie mich wie einen seltsamen Vogel musterte.
„Françoise erwartet sie bereits.“
    Und mit einem Lächeln, das alle hier
in dem Laden auf Absprache aufzusetzen schienen, verriet sie mir, wo meine
Klientin mich erwartete. Ich begab mich dorthin.
    Zwei Etagen höher, in einem düsteren,
vollgestopften Zimmer. An einem runden Tischchen, das von einer Bürolampe
erhellt wurde, saß die kleine Schwindlerin und arbeitete sich durch einen
Haufen verschiedener Papiere, oder sie tat jedenfalls so. Sie begrüßte mich mit
dem hauseigenen Lächeln und forderte mich zum Sitzen auf. Ich setzte mich.
    Ihre zerknautschten Gesichtszüge unter
dem Make-up zeugten davon, daß sie in der vorangegangenen Nacht nicht besonders
gut geschlafen hatte. Davon abgesehen, machte sie einen frühlingshaften, ja
sommerlichen Eindruck in ihrem Kleid, in dem man sie während ihrer offiziellen
Arbeit leider nicht würde bewundern können. Bedauerlich bei dem Dekolleté, das
zu betrachten für nicht schwindelfreie Asthmatiker strengstens verboten war.
Innerlich stieß ich einen Seufzer aus. Wirklich schade, daß ich mit der
Besitzerin dieser wundervollen Gaben keine weiteren Kontakte mehr pflegen
wollte! Mein Entschluß, den Auftrag zurückzugeben, geriet ins Wanken...
    „Was ist los?“ fragte meine Klientin,
als sie mein Gesicht sah. „Sind Sie verärgert?“
    „Überhaupt nicht! Das ist die Maske
des seriösen, tüchtigen und erfolgreichen
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